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Interview mit Jochen Hick
Interview mit Jochen Hick
in "aufblende"
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INTERVIEW & ARTIKEL von Axel Schock für
ddp-Presseagentur
Eine Kuh namens Edna - Auch drei Berliner
Berlinale-Beiträge machen sich Hoffnung auf den lesbisch-schwulen
Teddy-Award
--Von ddp-Korrespondent Axel Schock--
Neben den Silbernen und dem Goldenen Bären wird
auf der Berlinale auch der Teddy vergeben. Gleich in zweifacher
Ausfertigung steht der lesbisch-schwule Filmpreis schon in der Vitrine
von Nathalie Percillier und Lily Besilly. Beide wurden 1997 für die
lesbische Komödie «Heldinnen der Liebe» und 2000 für «Hartes Brot» mit
einem Teddy geehrt. In diesem Jahr schicken die beiden Berliner
Filmemacherinnen ein neues skurriles Werk ins Rennen, ein
Fünf-Minuten-Drama um eine Regisseurin, eine Schauspielerin und deren
aufmerksamkeitsheischende Filmpartnerin: eine Kuh namens Edna.
Perciller und ihre Lebens- und Filmpartnerin Besilly hoffen in diesem
Jahr aber nicht nur auf einen weiteren Teddy. Ihr Kurzfilm «Utes Ende»,
zugleich Vorgeschmack auf ihren gerade entstehenden ersten Langfilm,
wird erstmals im offiziellen Wettbewerb gezeigt. Und vielleicht ziert
die heimische Trophäensammlung bald auch ein Silberner Bär.
Ebenfalls ein regelmäßiger Gast der Berlinale ist der mittlerweile in
Berlin ansässige ehemalige Hamburger Jochen Hick. In seinen Spielfilmen
(«No one sleeps») und Dokumentarproduktionen («Sex/Life in L.A.»,
«Menmaniacs») spürt Hick stets auf provokant zugespitzte Weise
aktuellen schwulen Lebensformen nach. In seinem neuen Film «Ich kenn
keinen! - Allein unter Heteros», der im Panorama-Programm der Berlinale
uraufgeführt wird, porträtiert er Schwule in der schwäbischen Provinz
und deren Alltag zwischen Liedertafel, Dorfgemeinschaft und
Kirchenchor. Ein absolutes Kontrastprogramm zu der
Selbstverständlichkeit und Unbekümmertheit, mit der Schwule und Lesben
gerade in einer aufgeschlossenen Metropole wie Berlin leben können.
Ebenfalls wohl nur in Berlin können schwule, subkulturelle Trashblüten
wie die Berliner Teufelsberg Produktion rund um Ades Zabel entstehen
und sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit Low-Budget-Filmen und
schrägen Bühnenshows behaupten. Zwar hat die Truppe in den 80er Jahren
bereits eine ganze Reihe schriller, parodistischer Super-8-Filme
gedreht, sich danach aber jahrelang nicht mehr mit dem Medium
beschäftigt. Nun kommt, von den Fans lange erwartet, «Mutti - Der Film».
Regisseur Jörn Hartmann hat einen bewusst geschmacklosen, irr- und
unsinnigen Comedy-Film inszeniert, in dem - wie bei den Teufelsbergern
üblich - weitgehend alle Frauenrollen von Männern gespielt werden. Nach
tieferem Sinn darf nicht gefragt werden, die Gags hingegen sind dafür
um so alberner. Ades Zabel ist gleich in mehreren Rollen zu sehen, vor
allem aber als lebenslustige Rabenmutter, deren Tochter (gespielt von
der Drag Queen Biggy van Blond) wegen eines gedankenlesenden Ohres
entführt wird. Mit geringen Mitteln wurde vergleichsweise aufwändig und
vor allem ideenreich produziert.
Eine Heerschar von befreundeten Kollegen und Szenestars hat sich mit
Kurzauftritten an dem Low-Budget-Projet beteiligt:
Lindenstraßen-Schauspieler Georg Uecker mimt einen Quizmaster, Ulrike
Folkerts eine sadistische Zahnärztin, Désirée Nick eine
heruntergekommene Barfrau. Mit dabei sind auch das Chansonduo Malediva,
die Geschwister Pfister und Stefan Kurt. Die Erwartungen der Fans sind
groß - regulärer Kinostart ist Ende März.
ddp/sho/clp
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In diesem Jahr sind auf der Berlinale wieder über 30
Spiel- und Kurzfilme sowie Dokumentationen mit schwulem, lesbischen
oder Transgender-Bezug zu sehen. Einer davon ist «Ich kenn keinen! -
Allein unter Heteros». In dem Streifen befasst sich Regisseur Jochen
Hick mit schwuler Subkultur in städtischen Metropolen. Er wagt eine
ungeschönte Bestandsaufnahme: Wie weit ist die Gleichberechtigung zu
Zeiten der «Homo-Ehe» wirklich? Mit Hick sprach ddp-Korrespondent Axel
Schock.
ddp: Was hat den Anstoß zu diesem Film für Sie
gegeben? Die
Rückbesinnung auf Ihre eigene Herkunft aus Süddeutschland vielleicht?
Jochen Hick: Ich bin ja kein Schwabe, aber zumindest in Stuttgart zur
Schule gegangen, und ich bin manchmal noch dort. Beim Ausgehen habe ich
immer wieder Leute getroffen, die - nur um ein Bierchen in einer
schwulen Kneipe zu trinken - fast 200 Kilometer zurückgelegt haben. Ich
wollte einen Film darüber machen, wie sich schwules Leben auf dem Lande
aus einer Vereinzelung heraus organisiert. Insofern ist
der Film der entgegengesetzte Entwurf von «Sex/Life in L.A.» und sollte
deshalb auch mal «Sex/Life auf der Alb» heißen. Und ich wollte einmal
nachschauen, ob Deutschland wirklich so liberal ist, wie das
Partnerschaftsgesetz es manchen glauben machen möchte.
ddp: Sie selbst haben viele Jahre in Hamburg
gelebt, nunmehr in der Schwulenmetropole Berlin. Was sind die
herausragendsten Unterschiede zwischen «Großstadtschwulen» und
«Landschwulen»?
Jochen Hick: Als Großstadtschwulen darf man eigentlich nur bezeichnen,
wer überwiegend in Großstädten gelebt hat. Insofern ist Berlin manchmal
tiefste Provinz, da man in keiner anderen deutschen Stadt so viele
«Flüchtlinge» vom Lande trifft wie hier. Nur vergessen viele ihre
Herkunft sehr schnell. Vielleicht macht dies auch den oft beschriebenen
netten provinziellen Charme Berlins aus. Großstadtschwule meinen alles
gesehen zu haben und bewegen sich doch meist nur in einer ganz kleinen
Welt - oft sogar in einer Welt fast gänzlich ohne Heteros. Landschwule
müssen sich ihre Welt viel aktiver selbst erschaffen und sich ständig
selbst behaupten. Sie sind oft realistischer in der Welt, als man
vermuten darf.
ddp: Gibt es eine Art Solidarität, eine
Verbindung zwischen beiden Gruppen - oder herrscht doch eher Arroganz
der Städter gegenüber den Landschwulen vor?
Jochen Hick: Eigentlich eher Arroganz oder vielmehr gesagt Ignoranz.
Die Städter reisen an Weihnachten zurück aufs Land und sind froh wieder
abzureisen. Und für die Landschwulen ist die Stadt oft ein Ort, um sich
in kurzer Zeit auszuleben, was ja auch nicht immer besonders
kommunikativ sein muss. Allerdings muss ich sagen, dass ich
eine kleine Christopher-Street-Day-Parade wie die in Ravensburg
(Oberschwaben) als politischer empfand als jene in Berlin und Köln.
ddp: Wie wichtig ist es, eine schwule
Produktion wie die Ihre auf der Berlinale zu präsentieren? Hat ein
solcher Film heute noch eine Chance auf ein reguläres Kinopublikum?
Jochen Hick: Die Berlinale ist wichtig, weil sie ein A-Festival ist.
Wichtig aber auch, weil das Panorama eine Sektion ist, in der ich meine
Filme gut aufgehoben finde und viele potenzielle ausländische Einkäufer
den Film sehen. Der Film wird hoffentlich sein Publikum finden, denn er
ist - wie ich glaube - trotz seines für manche recht ernst anmutenden
Themas originell und unterhaltsam, oft sehr witzig und zugleich
politisch relevant. Einen deutschen Verleih hat er schon. Mal sehen,
wie es weitergeht. Auf jeden Fall ist es ein Film für Schwule und
Heteros gleichermaßen und für beide Seiten auf seine Weise erhellend.
ddp: Sind Berliner Schwule und Lesben ein
auffallend engagiertes Publikum für lesbisch-schwule Produktionen oder
erreichen Filme wie «No one sleeps» oder «Sex/Life in L.A.» in kleinen
und mittleren Städten vielleicht ein viel interessiertes, «dankbareres»
Publikum?
Jochen Hick: Berlin ist sicherlich die wichtigste Kino-Stadt für
schwul-lesbische Produktionen in Deutschland. Allein schon wegen seiner
sehr vielfältigen und lebendigen Kinoszene. Eine solche Kinolandschaft
wie in Berlin sucht man auch in ausländischen Metropolen vergebens.
Köln beispielsweise hat zwar auch ein großes Publikum, aber eine viel
schwierigere Kinolandschaft für solche Filme. Eine Kinolandschaft wie
in Berlin gibt es auch in ausländischen Metropolen selten - ganz zu
schweigen von den enormen Herausbringungskosten, die man dort allein
für Presse und Anzeigen hat. Kleine und mittlere Städte haben oft ein
sehr dankbares Publikum, aber wenn die Presse nicht mitzieht oder die
Kinolandschaft es nicht zulässt, kriegt sie dort keiner mit.
ddp/sho/jor
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