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EAST/WEST - Sex & Politics

Hier finden Sie Pressekritiken zum Film. Für druckfähige Pressefotos schicken Sie uns bitte eine Mail. Presseheft Kinostart als PDF hier.


NOT complete! Will be updated on a regular basis!
Wann Wo

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1 February 2008 Teddy Journal, Berlin

12 February 2008 Hamburger Morgenpost (Interview)

9 February 2008 Der Tagesspiegel

4 February 2008 Interfax

6 February 2008 TIP Berlin

9 February 2008 TeddyTV.org (engl.)

5 February 2008 Euro Gay News

14 Feburary 2008 Frankfurter Allgemeine Ztg.

12 February 2008 Blog (Maha's Blog)

1 February 2008 Siegessäule

11 February 2008 Die Welt

16 February 2008 Hollywood Reporter (engl.)

19 February 2008 Variety (engl.)

08 February 2008 Amnesty International (engl.)

17 February 2008 BFI (engl.)

27 February 2008 Moskauer Deutsche Zeitung (Int.)

1 April 2008 FRONT Magazin

14 February 2008 Senses Of Cinema (engl.)

February 2008 Walks Through Berlin (Blog)

23. October 2008 TAZ / Die Tageszeitung (Interview)

24. Nov 2008 Deutschlandradio Kultur

27. Nov 2008 Der Tagesspiegel (& Zitty Berlin)

27. Nov 2008 Spiegel Online

25. Nov 2008 Der Biograph

24. Nov 2008 Kultur Spiegel

21. Nov 2008 007-berlin.de

27. Nov 2008 Fluter

27. Nov 2008 BZ Berlin

27. Nov 2008 Tip-Berlin

29. Nov 2008 Frankfurter Allgemeine Zeitung

25. Nov 2008 Polar Online

30. Nov 2008 Süddeutsche Zeitung

1. Dez 2008 Filmdienst

27. Nov 2008 AOL.DE

27. Nov 2008 Kino.de

25. Nov 2008 GAB

30. Nov 2008 Deutsche Filme

1. Dez 2008 Kulturküche

1. Dez 2008 Männer

18. Dez 2008 Sächsische Zeitung

1. Jan 2009 hinnerk

1. Jan 2009 gab Magazin

1. Dez 2008 -

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TEDDY Journal 2008
Axel Schock

Die Meldungen und Fotos von den blutig geschlagenen Demonstranten Volker Beck und "Right said Fred"-Sänger Richard Fairbrass beim Moskauer Gay Pride sind durch die Zeitungen gegangen und auch über den aufgebrachten Mob aus Neonazis und radikalen Orthodoxen hat man gelesen. Diese bedrohliche Szenerie nun aber auf der Leinwand zu erleben – in der sich abgrundtiefer Hass gegen eine sexuelle Minderheit in unmittelbarer Gewalt Bahn bricht, die von den direkt daneben stehenden Ordnungskräften tatenlos geduldet wird – das lässt einem den Atem stocken. Filmemacher Jochen Hick (Teddy-Gewinner 2003 mit Ich kenn keinen – Allein unter Heteros) geht mit diesen Bildern erfreulicherweise sehr behutsam und alles andere als sensationsheischend um, was ihre Wirkung keineswegs schmälert. Er bleibt in erster Linie nüchterner Dokumentarist, der das Geschehen in einen größeren Zusammenhang einbindet.
Zwei Jahre lang hat Hick die Vorbereitungen zu den immer wieder verbotenen Schwulen- und Lesbenparaden in Moskau mit der Kamera intensiv beobachtet. Lediglich ein Häuflein Mutiger wagt diesen Kampf um elementare Menschenrechte – die anderen, das ist die bittere Erkenntnis, sitzen derweil lieber zum Bräunen am Strand der Moskwa oder amüsieren sich in den Discos.
"Es ist üblich in unserem Land alles undercover zu tun", sagt der Herausgeber der einzigen schwulen Zeitschrift Russlands. Warum also die Menschen im Lande mit Demonstrationen provozieren? Man hat sich mit dem Leben im Verborgenen arrangiert. Und auch solche Arrangements zeigt Jochen Hick mit dem gleichen feinfühligen wie kritisch-distanzierten Blick. Schwule Überlebensstrategien, bei denen die Hoffnung auf einen Demokratisierungsprozess längst aufgegeben ist.
East/West – Sex & Politics ist gerade für Zuschauer aus dem liberal-aufgeklärten Westen ein verstörend-beängstigendes Lehrstück. Darüber zum Beispiel, wie schnell Stammtischparolen in die Tat umgesetzt werden können, sobald Kirche und Staat sie offenherzig unterstützen. Und darüber, wie viel Russland durch Öl- und Gas-Milliarden bereits vom Kapitalismus, wie wenig aber über Demokratie gelernt hat.
AS




Amnesty International / MERSI
C. de la Motte-Sherman


Although this film partly uses film sequences, which we saw at the Berlinale last year the distance, which Hicks has a German to the topic – and the nearness he has as a filmmaker who recorded the Moscow Pride events 2006 & 2007 - give the films another viewpoint. He shows not only the politics of the events, but puts this into the context of the life of lesbians and gays in Russia – including the active hatred shown by the Russian Orthodox Church. How greatly the opinions differ about the actions of Nikolai Alexeeyev among the gays and lesbians of Russia are clearly depicted. The depth of these differences does not make the tasks and difficulties, which confront the LGBT people of Russia, easier to overcome or end.

The argumentation of the opponents of Alexeyeev in essence “Russia is not yet ready for this”, is not difficult to understand or even sympathise with – BUT whichever country, whichever minority, whichever people you consider the time, is NEVER right and has never been right – for those with weak nerves or something to loose as a result of granting human rights to a minority or the national rights of a people.

If you take the self-government for the British colonies, in the 1960's etc.; the Easter Rising in Ireland (1916); the re-establishment of Poland as a national unit after 1795; the demand for human rights for sexual or other minorities in "our time", it is – just like the argumentation used against the Anti-Discrimination Laws in Germany, - either too early, too expensive, or not necessary because there is no discrimination, no minority - or in the case of Ireland and Poland – no nation"!
C. de la Motte-Sherman

Der Tagesspiegel
Frank Noack 9.2.2008


In Russland wurde der Schwulenparagraph 121 unter Boris Jelzin abgeschafft. Die Gewalt gegen Schwule und Lesben geht vom Volk aus und die Polizei sieht zu. Die Diskriminierung erfolgt hier nicht im Namen einer Kirche – was ihre Bekämpfung so schwierig macht. Die allgegenwärtige Gewalt ist auch nicht primär homophob: Wie eine lesbische Aktivistin in Jochen Hicks Dokumentation „East/West – Sex & Politics“ (Panorama) betont, geht die Polizei generell brutal gegen regierungskritische Demonstranten vor, nicht speziell gegen schwul-lesbische Gruppen. Es kommt sogar eine ältere Moskauerin zu Wort, die Schwule mag und Ausländer hasst. Hick bietet ein vielfältiges Bild, das keine Gruppe gegen die andere ausspielt.
http://www.tagesspiegel.de/kultur/kino/berlinale/Berlinale-Forum;art16892,2473039

TeddyTV.org
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Auch wenn die Berlinale in diesem Jahr generell weniger politisch ausfällt und eher im Zeichen der Musik steht, bleibt das Panorama-Programm wunderbar unbequem. Wie auch der neue Film von Regisseur Jochen Hick ("Cycles of Porn"), der am Montag auf der Berlinale gezeigt wird.
Wir trafen Hick schon mal auf ein kurzes Interview, um mit ihm über "East/West - Sex & Politics" zu sprechen. Sex und Politik - ein Thema, dass sich durch alle Filme von Jochen Hick zieht.

Video: Interview JOCHEN HICK and ANDREAS STROHFELDT

Hick, der sein Herz ausnahmslos dem Dokumentarfilm verschrieben hat, drehte zusammen mit seinem Assistenten Andreas Strohfeld über einen Zeitraum von zwei Jahren die Vorbereitungen zu der immer wieder verbotenen Gay-Pride in Moskau, die übrigens derzeit unter Künstlern als eine der aufregendsten Städte Europas gilt.
Von insgesamt 384 Filmen (aus 59 Produktionsländern) laufen allein über 50 Filme im Panoramaprogramm. Mehr als 30 Filme muss sich die achtköpfige TEDDY-Jury innerhalb von 8 Tagen anschauen, bevor sie sich zu einer geheimen Abstimmung über die diesjährigen TEDDY- Gewinner zurückziehen wird. Der diesjährige TEDDY-Präsident, Basil Tsiokos, kommt übrigens aus New York. Er arbeitet seit 1996 als künstlerischer Leiter für das New Yorker Queer-Filmfestival "New Fest" und seit 2005 als Kurator für den US-Dokfilm beim Sundance Film Festival. Die Aufgabe des TEDDY- Jury- Präsidenten wird es sein, bei den Diskussionen um die gesehenen Filme und bei der Abstimmung zu vermitteln und zu moderieren.

TIP Berlin
Ulrike Rechel

Queer Cinema
Das Filmplakat von „Brokeback Mountain“ hängt im Büro des Herausgebers eines schwulen Magazins in Moskau, der Filmtitel auf Kyrillisch. Das Drama um eine unterdrückte Cowboy-Liebe im Amerika der Sixties gilt in Moskaus Schwulen-Community als Kultfilm. Wobei es mit dem „Community“-Gedanken nicht allzu weit her ist in Russland. Hier hat Jochen Hick „EAST/WEST – Sex & Politics“ gedreht. Die Schwulen und Lesben, die er porträtiert, brauchen gehörigen Mut, um sich öffentlich zu ihrer Lebensweise zu bekennen und für gleiche Rechte einzutreten. Die meisten russischen Homosexuellen begnügen sich damit, hinter verschlossenen Türen zu leben – „so hat das doch schon immer funktioniert in diesem Land“, sagt der Zeitungsmacher des „Kvir“-Magazins schulterzuckend.

Im Panorama-Programm bilden Dokus wie „EAST/WEST“ einen Themenschwerpunkt: Der Fokus liegt auf Filmen, die widerständische, teils noch zögerliche Kräfte in Ländern beobachten, in denen schwul-lesbische Lebenskultur auf unerbittliche Gegenreaktion trifft. Es sind die Dokumentarfilmer, die auf der Berlinale am lebendigsten von dem Konflikt erzählen, der aus dem Zwiespalt zwischen Identität und Glauben erwächst. Insbesondere islamischen Ländern gilt das Interesse – aber eben auch Putins Russland oder dem gegenwärtig wieder nach rechts driftenden Italien: Eine fast tagesaktuelle Bestandsaufnahme zur Frage der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften versucht der Film „Improvvisamente l’inverno scorso“. Entsprechende Gesetzesentwürfe, deren hitzige Verhandlung das Regieduo Gustav Hofer und Luca Ragazzi dokumentiert, geraten im Verlauf der Dreharbeiten peu à peu aufs Abstellgleis.
Die gegenseitige Mobilisierung läuft in Rom freilich besser als in Moskau. In „EAST/WEST“ sind es Einzelfiguren, an deren Fersen sich der Film heftet und denen bei Gay-Paraden eisiger Wind entgegenschlägt: Konter-Aktionen von gewalttätigen Orthodoxen, von den Behörden gebilligt, lassen nie lang auf sich warten.
Nicht ganz anders sieht die Lage in Istanbul aus, der liberalen Hauptstadt und Zentrum der Gay-Community der islamischen Welt. Doch auch hier – Döndü Kilic erzählt davon in „Das andere Istanbul“ – verläuft eine scharfe Grenze zwischen dem diskreten Leben im Privaten und dem öffentlich verpönten, selbstbewussten Nebeneinander auf der Straße.

Der Konflikt mit der religiös fundierten Heimat ist es auch, der junge Schwule in dem im Forum gezeigten Film „Be Like Others“ in eine Privatklinik im Iran treibt. Im Wartesaal hat die kanadische Filmemacherin Tanaz Eshaghian eine Art Notgemeinschaft vorgefunden: junge Männer, die teils allein, teils in Begleitung ihrer Eltern auf einen Termin zur Geschlechtsumwandlung warten. Der Eingriff mit dem Skalpell ist nicht nur bei Transsexuellen gefragt; unter den Operationsbereiten finden sich viele Schwule, die sich von der OP ein Ende ihrer inneren Zerreißprobe versprechen. Der Film schildert die absurde Konsequenz religiös-dogmatischer Gesetze im Iran: Geschlechtsumwandlungen gelten dort als legitim (Transsexualität wird im Koran nicht erwähnt), Homosexualität dagegen als todeswürdig. Für nicht wenige, so verdeutlicht Eshaghians anrührender Film, geht die Tortur der Selbstverleugnung erst nach dem Klinikbesuch richtig los.
Ist es in „Be Like Others“ vor allem die Beengtheit der Klinik- und Wohnzimmerräume, die das Verlorene der Protagonisten spürbar macht, so führt der Weg in „A Jihad for Love“ in eine Welt, die alle zu Vertriebenen macht. Der iranische Filmemacher Parvez Sharma bereist hierfür verschiedene islamisch geprägte Länder – darunter Pakistan, Ägypten oder die Türkei – und schildert Fluchtwege von Männern und Frauen, denen ihre Heimat die Daseinsberechtigung versagt.

Der Regisseur, der sich als gläubiger Moslem und Ex-Familienvater zum Schwulsein bekennt, stellt Fragen an offizielle Religionsgelehrte und plädiert vor ihnen für eine liberale Auslegung des Korans. So viel Mut bringen nur wenige auf; viele Befragte wagen es nicht, der Kamera offen ihr Gesicht zu zeigen. Auch wenn „A Jihad for Love“ keine konkrete Gewalt zeigt, so ist die Bedrohung greifbar.
In Rosa von Praunheims „Tote Schwule – lebende Lesben“ wird sie noch einmal spürbar im historischen Blick zurück. In seinem Film-Diptychon verknüpft der Berliner gegenwärtige lesbische Lebensentwürfe mit den Erinnerungen greiser Männer an die Schwulenverfolgung im Nationalsozialismus. Die Berichte, die Praunheim im Laufe von rund zehn Jahren sammelte, sind so unterschiedlich wie die porträtierten Männer und ihre Lebensstile: Der eine erinnert sich schwermütig, der andere verschmitzt; und die Geschichte, die Chansonnier Joe Luga über seine Zeit als Soldat erzählt, klingt schlicht unglaublich: Der Mann mit dem schönen Knabensopran überlebte die Ostfront schadlos als Entertainer in Frauenkleidern – womit er bei den kriegsmüden Kameraden allseits gern gesehen war.

In „EAST/WEST“ ist es der besonnene Aktivist Alexej, der seinen ruhigen Kampf vor den abgeriegelten Toren des Moskauer Parlaments als historische Notwendigkeit begreift. „Make homophobia history!“, skandiert der von ihm zusammengetrommelte Demonstrationszug, bevor rechte Schläger mit Fäusten auf ihn losgehen. Dass der Tag kommen wird, an dem auf dem Roten Platz der Christopher Street Day gefeiert wird, ist für den jungen Moskauer bloß eine Frage des Zeitpunkts. Aber auch des Durchhaltevermögens.
Ulrike Rechel

http://www.berlinonline.de/tip/magazin/film/berlinale_2008_queer_cinema/


INTERFAX
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Film about Russian sexual minorities to be shown at Berlinale
Moscow, February 4, Interfax - The EAST/WEST - Sex & Politics documentary by German director Jochen Hick will be shown at the Annual International Film Festival Berlinale on February 11.
The film is about Russian sexual minority's attempts to hold a Gay Pride parade in Moscow, parade organizer Nikolay Alexeyev told Interfax on Monday.
Hick and his colleagues visited Russia for two years. The director filmed the two unauthorized Moscow Gay Pride parades of May 2006 and May 2007, the protest against Moscow Mayor Yury Luzhkov during his meeting with other mayors in London, and a visit of Russian gay activists to the European Parliament.
Hick's film will vie for the Teddy award as the best movie on gays and lesbians, Alexeyev said.

http://www.interfax-religion.com/?act=news&div=4236

Hamburger Morgenpost
Interview Agneta Melzer

Moskau, Mai 2007: Bürgermeister Lushkov lässt die Gay Pride gewaltsam niederschlagen. Die Bilder gehen um die Welt. Doch wie ist der Alltag für Homosexuelle im heutigen Russland wirklich? Der Hamburger Regisseur Jochen Hick hat für "East/West - Sex & Politics" anderthalb Jahre lang in Moskau gefilmt. Das Ergebnis ist jetzt auf der Berlinale zu sehen.

MOPO: Sie haben schon mehrere Filme über Homosexualität gedreht. Was fasziniert Sie daran?

Jochen Hick: Über Heterosexualität gibt es nun wirklich genug Filme (lacht). Das andere findet sowohl im Kino als auch im Fernsehen immer noch viel zu wenig ernsthafte Beachtung. Das möchte ich gern ändern, denn es gibt Bedarf. Konkret auf Russland bezogen gibt es ein ähnliches Phänomen: Alle Medien stürzen sich auf das Land, aber die Situation von Schwulen und Lesben wurde bislang nur 1991 in einem einzigen russischen No-Budget Film näher beleuchtet. Dabei kann man am Umgang eines Landes mit sexuellen Minderheiten das Demokratieverständnis ablesen.

MOPO: Und welchen Eindruck haben Sie gewonnen?

Hick: Russland scheint intoleranter zu werden, auch die orthodoxe Kirche spielt dabei eine sehr unrühmliche Rolle. Viele Menschen haben es mittlerweile zu einem gewissen Wohlstand gebracht, was der Demokratiebewegung paradoxerweise den Wind aus den Segeln nimmt. Beispielsweise bei der versuchten Gay Pride: Da kommen vielleicht 50 bis 100 Demonstranten aus einer 14-Millionen-Stadt zusammen. Dies liegt unter anderem daran, dass die wohlhabenderen Homosexuellen sich relativ gut in ihren Nischen einrichten können. Für Demokratie zu kämpfen verspricht offensichtlich wenig Statusgewinn.

MOPO: Hatten Sie Probleme mit Zensurversuchen oder ähnlichem?

Hick: Nein, da zu war unser Team wohl zu klein. Allerdings haben uns viele Menschen in Moskau gewarnt, dass wir wahrscheinlich die ganze Zeit beobachtet würden. Schwieriger ist es für die Aktivisten vor Ort. Deren Bewegungsfreiheit ist schon stark eingeschränkt.

MOPO: Wird der Film auch in Russland zu sehen sein?

Hick: Das hoffe ich. Wir sind im Gespräch mit Festivals und arbeiten an einer russischen Fassung.

http://archiv.mopo.de/archiv/2008/20080213/hamburg/kultur/der_hamburger_regisseur_jochen_hick.html

maha's blog
M. Haase

58. Berlinale
Tuesday, February 12th, 2008
Einer meiner Lieblingspodcasts hr2 Der Tag berichtete unter dem Titel: „Brutalstmögliche Aufklärung“ darüber, dass bei der diesjährigen Berlinale die Sparte Dokumentarfilm eine besondere Rolle spielt. Daher wundert es nicht, dass auch ich in einen Dokumentarfilm geriet, zumal ich ja die Berlinale immer nur in Auswahl besuche – möglichst wenn sich andere um die Karten kümmern, denn mir ist der Trubel immer zu anstrengend.

Ich war also gestern Abend in der Premiere von East/West – Sex & Politics, einem Dokumentarfilm von Jochen Hick (im Gespräch bei dradio) über die Moskauer Schwulenszene und den Moscow Pride, die verbotene Demonstration in Moskau.

Der Film war vielleicht nicht so beeindruckend wie Jochen Hicks Ich kenn keinen – Allein unter Heteros, aber doch sehr interessant, weil er außergewöhnliche Eindrücke in aktuelle russische und Moskauer Befindlichkeiten ermöglichte, obwohl man die Angriffe auf Volker Beck nun schon oft genug gesehen hatte (sogar ich, der ich gar keinen Fernseher besitze). Berichtet wurde unter anderem über das Treffen der Bürgermeister europäischer Hauptstädte, auf dem der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë den Moskauer Bürgermeister öffentlich auf die Verbote angesprochen, Klaus Wowereit jedoch geschwiegen habe, wie Jochen Hick im Anschluss an den Film berichtete. Das Schöne an der Berlinale ist ja, dass man gleich mit den Filmemachern sprechen kann. Im Film wird viel russisch gesprochen, was aber dank der Untertitel gar nicht so schwer zu verstehen ist (trotz meiner eingerosteten Kenntnisse).
http://www.maha-online.de/blog/category/life-the-universe-everything/kino/

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Leonie Wild


Schwule Muslime,
lesbische Mütter
Rosa Zeiten: Eine Dokumentarfilmreise um den Globus
(..)
Die staatlichen Repressalien, an die sich von Praunheims alte Schwule erinnern und vor denen vier Iraner in „A Jihad for Love" ins Ausland fliehen müssen, gewinnen in „East/West — Sex & Politics" von Jochen Hick ein Gesicht: die Fratze russischer Neofaschisten und orthodoxer Christen, die 2006 und 2007, mit roher Gewalt, ungehindert durch die russische Polizei, eine Parade homosexueller Demonstranten in Moskau niederknüppelten — mit dem Segen des homophoben Bürgermeisters Juri Luschkow durften sie Parolen wie „Moskau ist nicht Sodom" skandieren. Hick gibt den Kriegsreporter, fängt den blinden Hass von Passanten ein, die den Attacken auf die Demonstranten applaudieren, und lässt einen englischen Homo-Aktivisten eines der größten Rätsel auf der politischen Agenda Europas lösen: „Ist Russland eine Demokratie? Russland ist keine Demokratie." Mit seiner Dokumentation beweist Hick nach „Ich kenn' keinen" über Schwule in der Provinz ein nächstes Mal, dass er Homosexualität als politisches Statement versteht. LEONIE WILD




Die Welt
Cosima Lutz

(...) Und wer bisher vielleicht dachte, filmisch aufbereitete Gender-Fragen sind nur etwas für urbane Insider mit Filmstudium, liegt gerade im Panorama völlig falsch. Die Gefährdung ganz grundsätzlicher Rechte für alle, wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf die freie Wahl des Wohnsitzes, des Berufs (siehe auch "Heavy Metal in Baghdad" von Eddi Moretti und Suroosh Alvi) und des Partners fällt eben besonders dort ins Auge, wo Schwule, Lesben und Frauen diese Rechte einzufordern wagen. Dass dies mitten in Europa und in direkter Nachbarschaft zur EU mehr als problematisch ist, etwa in Russland und der Türkei, zeigen Dokumentarfilme wie Jochen Hicks "East/West - Sex & Politics", "Das andere Istanbul" von Döndü Kilic und "Improvvismente l'inverno scorso" von Gustav Hofer und Luca Ragazzi. Einschüchterung und die Bereitschaft zur Lynchjustiz werden dort offenbar von einer breiten gesellschaftlichen Schicht von Homophoben getragen.




MERSI / amnesty international
Collin de la Motte-Sherman

Obwohl der Film teilweise Filmsequenzen benutzt, die wir aus der Berlinale des letzten Jahres kennen: der Abstand als Deutscher, aber die Nähe als Filmermacher zu den Moskauer Pride Events 2006 + 2007, vermittelt Jochen Hicks Film einen "anderen" Blick. Er zeigt nicht nur die Politik, sondern bettet sie in die Lebensumstände der Schwulen und Lesben ein und zeigt den aktiven Hass der Russisch-orthodoxen Kirche. Wie umstritten die Aktionen von Nikolai Alexeeyev unter den Lesben und Schwule in Russland auch sind, es wird auch deutlich, was die Grösse der Aufgaben und Problemen mit denen die LGBT Menschen in Russland konfrontieren sind, nicht leichter zu überwinden macht.

Die Argumentation der Gegner von Alexeeyev "Russland ist nicht dafür bereit", ist verständlich - aber welches Land, welche Minderheit, welches Volk man nimmt, die Zeit ist nie reif gewesen, für die mit schwachen Nerven und die, die etwas zu verlieren haben durch die Gewährung von Menschenrechten für eine Minderheit oder die Nationalrechte eines Volkes.

VARIETY
Jay Weissberg

Violence and internal debate dominate Russia's gay and lesbian rights struggle in "East West -- Sex & Politics." By including both activists and apolitical clubbers, vet docu helmer Jochen Hick ("Sex/Life in L.A.") offers a fuller picture of the scene than normally found, though focus drifts with such a widely cast net and uncertain arrangement of information. Still, there's real power here, especially in scenes of failed gay-rights marches, and Hick's plan for a shorter version concentrating on just the political angle may see takers outside the usual gay fest circuit.
Moscow's disastrous gay-pride parades of 2006 and 2007 received widespread press coverage, but the full scope of the violence and police non-intervention, inspired by the homophobic pronouncements of popular Mayor Yuri Lushkov, comes as a shock. Hick shows the split between campaigners, such as docu's unquestioned hero Nikolai Alekseev, and those blaming the activists for an increase in gay bashing, while also presenting Moscow as an imperfect haven for the region's largely closeted community. Foreign observers declare, "This is not a democracy," though who ever thought it was? Digital lensing works fine on the bigscreen.


EuroGayNews
Feb 5, 2008

RUSSIA: Film about Russian Gays to Be Shown at Berlinale
Tue, 5 Feb 2008 08:11:09
(Russia) - The EAST/WEST - Sex & Politics documentary by German director Jochen Hick will be shown at the Annual International Film Festival Berlinale on February 11. The film is about Russian Gays attempts to hold a Gay Pride parade in Moscow, parade organizer Nikolay Alexeyev told Interfax on Monday. Hick and his colleagues visited Russia for two years. The director filmed the two unauthorized Moscow Gay Pride parades of May 2006 and May 2007, the protest against Moscow Mayor Yury Luzhkov during his meeting with other mayors in London, and a visit of Russian Gay activists to the European Parliament.

http://www.eugaynews.com/

Siegessäule
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„East/West“

Regisseur Jochen Hick („Ich kenn keinen”) dokumentiert die Kämpfe um die Gay Prides in Moskau und porträtiert russische Homo-Aktivisten ebenso wie völlig unpolitische Schwule und Lesben.

Hollywood Reporter
Scott Roxborough

Sex, politics rife in Berlin fest Panorama

COLOGNE, Germany -- Sex, politics and rock 'n' roll are the themes running through this year's Panorama, the Berlin International Film Festival's main sidebar.

Parvez Sharma's "A Jihad For Love," which will open Panorama's documentary section, Dokumente, looks at the conflict between sexuality and religion by examining the lives of devout Muslims who are homosexual. The film was produced by Sandi Dubowski, who looked at similar issues among gay orthodox Jews in "Trembling Before G-d." That film debuted in Panorama in 2001 and won Berlin's Teddy award for the best film with a homosexual theme.

Sexual politics are at the core of several Dokumente entries including Dondu Kilic's "The Other Istanbul," "Suddenly, Last Winter" from Italian directors Gustav Hofer and Luca Ragazzi, Jochen Hick's "East/West" and "Dead Gay Men and Living Lesbians" by Berlin's own Rosa von Praunheim. (...)


BFI, London
Brian Robinson
Fresh from its world premiere at this year's Berlin Film Festival, EAST/WEST an in-depth account of the attempts to mount a Gay Pride parade in Moscow in 2006 and 2007. Although providing a valuable record of headline grabbing attacks on demonstrators such as Peter Tatchell, Richard Fairbrass and German Euro MP Volker Beck, the film is as much a portrait of the lives of the march organisers.

Moscow's seemingly vibrant club and bar scene, a gay friendly Orthodox priest, a gay magazine and a lesbian cruising ground are all seen in stark contrast to local rightwing fascist neo-Nazi thugs, whose opposition to gay life is violent and unchecked by the police. There seems to be a sinister collaboration between the office of the mayor and the police who share President Putin's fears for the future of humanity if lesbian and gay lifestyles are encouraged. This film offers a chilling reminder of the fragile state of the rights of sexual minorities in Russia.

Brian Robinson



FRONT MAGAZIN
04/08

Jochen Hick gilt als der wichtigste deutsche Dokumentarist, wenn es um schwule Lebenswelten geht. Doch sein Interesse an diesem Thema geht weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Sein neuestes Werk
„East/West – Sex & Politics“ feierte auf der diesjährigen Berlinale seine Uraufführung. Seit 2007 ist er Chefredakteur von Timm TV in Berlin.

3 Fragen an…
Erst „Allein unter Heteros“, dann die Härte des Sexbusiness in „Cycles of Porn“ und jetzt bei „East/ West“ mitten drin unter Schwulen und Lesben, die auf Moskaus Straßen Prügel beziehen. Warum gehst du – anscheinend – gerne dorthin, wo es wehtut?
HICK: Das klingt fast so, als wären Schwule „Warmduscher“, die ihre eigene Realität in ihrer Tiefe und Tragweite überhaupt nicht mehr ertragen können, sofern sie nicht „political correct“ oder harmlos daherkommt. Für mich ist es ganz erhellend, auch die Härten des Schwulseins ab und zu noch zu spüren. Zumindest ist Homosexualität offensichtlich immer noch eine politische Aussage, an der die Gesellschaften auf der ganzen Welt noch einiges zu knabbern haben.

Hat ein friedliches Nebeneinander unterschiedlicher Lebenstile und Moralvorstellungen, im heutigen Russland überhaupt eine Chance?
HICK: Im Moment leider immer weniger, denn die orthodoxe Kirche und auch muslimische Führer in der Russischen Föderation mobilisieren und werden zu immer stärkeren Playern. Rechtsnationale Politiker, aber auch die vielen Verlierer des neuen Wirtschaftsystems befördern eine fremdenfeindliche Tendenz
und Homophobie.

Betrachtet man sich die Geschichte der schwulen Emanzipationsbewegung in
Deutschland, dann war es im Grunde eine Minderheit in der Minderheit, die kämpfte
und auf die Straße ging. Wie ist das in Russland?

HICK Auch in Russland ist dies eine Minderheit, die von der überwiegenden Mehrheit insgeheim bewundert bis abgrundtief gehasst wird. Wobei die Ablehnung noch überwiegt. Es ist ein Kampf, der offenbar (noch) keinen gesellschaftlichen Statusgewinn verspricht, sonst wären mehr Menschen daran beteiligt – was bei den „Märschen der Nichteinverstandenen“ um Kasparov ähnlich zu sein scheint.

Senses Of Cinema
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In Berlin, gays and straights alike celebrate Christopher Street Day as a colorful fest. The parade in Moscow, as Jochen Hick demonstrates in East West - Sex & Politics, generates little support among Muscovites - and not even among the city's gay community. Although homosexuality was legalised in 1993 during the initially liberal Yeltsin reign, Russia suffers from widespread homophobia. Hick chronicles a number of gays and lesbians, ranging from activists to apolitical bon vivants, through their daily lives and night-time adventures in the capital's largely closeted homosexual scene. The 2006 and 2007 parades bookend the film as official indications of the anti-gay sentiment. Neo-Nazis punch German MP Volker Beck and rough up the British pop duo Right Said Fred; Russian Orthodox priests protesting the demonstration chant "Moscow is not Sodom!" Meanwhile, the police arrest the gays rather than the men assaulting them. Although Hick's project could use a tighter focus and Stephen Taylor's very British voiceover grates, the documentary sheds light on this modern-day problem as a symptom of Russia's inability to democratise its institutions in the post-Soviet period. East West was perhaps the best of the several German gay-themed documentaries in the Panorama and Forum categories, including Das andere Instanbul (The Other Side of
Istanbul) and Rosa von Praunheim's Tote Schwule, lebende Lesben (Dead Gay Men and Living Lesbians).
http://www.sensesofcinema.com/contents/festivals/08/47/berlin-iff-2008.html

Walks Through Berlin (Blog)
February 2008

At the moment here in Berlin the 58th Berlinale Film Festival is taking place. The other night my girlfriend and I dashed to Potsdamer Platz to see what film we could see. We bought tickets for the above mentioned film, without knowing what it was. This turned out to be a very good idea.

'East/West - sex and politics', a film by Jochen Hick, is about gay and lesbian communities in Moscow, and their struggle in a city where its mayor, Yuri Lushkov, views them as being 'satanic', and has banned their gay pride marches in Moscow in 2006 and 2007.

The film starts off with scenes from 2006, where an illegal march took place. This march was met by counter-demonstrators, including Neo-Nazis and members and Priests of the Russian Orthodox Church.
The film goes on to show the attempts to have a march in 2007 recognised by the Moscow state. People like Peter Tatchell, the German MP Volker Beck and other LGBT activists from across the world came to support them. First they convened in a city hall for a conference, in a hall surrounded by police to 'protect' those outside from those inside, before attempting to do a march outside.

The photos at the top of this page. The one on the bottom right shows Peter Tatchell, the British gay rights campaigner, just after he was punched by a counter-demonstrator. The police did nothing to pursue his attacker, rather, they arrested Tatchell himself, as well as the gay pride organiser Nikolai Alexeyev.
Click on 'East/West - sex and politics' film review' above to see a film clip of the march.
The film goes on to show gay and lesbian life in Moscow, showing that many small communities live. These communities are very vital, however. One woman who was at the march was seen on TV and was sacked from her job the next day.

As it is, the gays and lesbians in Moscow do have their own scene, and bars and clubs to go to. Moscow is the city in Russia where they go to, apart from St. Petersburg. Homosexuality is a hidden issue in Russia and the film shows many people who moved to Moscow to be more open about their sexuality. For men from places like Armenia, Moscow gives them a chance to meet other gay men. As it is, men and women from the Caucus region face a stigmitisation anyway.

The film also shows well the debates between the homosexual communities. Some are against the gay pride marches, seeing them as being antagonistic to the Muscovite society and doing more harm than good. A gay man is quoted as saying that Russians are, by nature, people who are more tolerant and open behind closed doors. This is something similar to what I heard in another film, 'Rainbow's End' where anti-gays in Kraków, Poland were saying that they don't mind what people do behind closed doors, it's the openness that they hate. I know from here in Berlin that the Westberlin Aktiongruppe decided, after 1969, that gays and lesbians should be able to have a free life, not hidden behind closed doors. Whether this is applicable in Moscow is a debated point.

As it is, I very much recommend this film. It shows the extreme pressure that gays and lesbians suffer in Moscow, but also shows their willingness to fight, together with support from people from other countries.

I cannot pass without commenting on the Russian Orthodox Church. There were extremely shameful scenes, where those who were physically attacking those on the gay pride were being blessed by a Priest who attended the protest. Indeed, this same Priest stirred up the crowd with the chant 'Moscow is no Sodom', which shows his lack of knowledge of what Sodom means. I am not being a liberal Christian in saying that, I am being biblical: 'Behold, this was the iniquity of your sister Sodom: pride, fullness of
bread, and careless ease was in her and in her daughters; neither did she strengthen the hand of the poor and needy.' Ezekiel 16:49! So maybe Moscow is Sodom then. Now, I have a lot of respect for the Russian Orthodox Church, I attend their services in Berlin and have used their prayers for years. However, their treatment of homosexuals is an abomination. When Christians are allied with Neo-Nazis, then it is deffo not the case that ubi caritas et amor, deus ibi est (where there is love and charity God is present).

There was however an exception in the film. An Orthodox Priest took it upon himself to do a ministry to the gay and lesbian communities. He said that it is a shame that no-one ministers to them, rather, they exclude them. He visits their homes and listens to them, and prays with them. He criticised the Russian Orthodox Church by saying that it has got too involved with politics. He said that they seek power, which is against the Christian gospel. He is a holy man. As is Peter Tatchell. He is somewhat infamous in Anglican circles for his demonstrations in Anglican services, but as far as I am concerned, the man is a Saint, due to his striving for justice and willingness to suffer violence for that cause.

I found the film very upsetting and also very moving. You may wonder what my own personal connection to homosexuals is? Well I have no real reason, really. I simply see that they suffer a lot of persecution, and, shamefully enough, from my own (Anglican) Church. I see that they suffered during the Nazi times, and were a forgotten group afterwards. Therefore I do the tours in the gay museum in Berlin (...)
http://walksthroughberlin.blogspot.com/2008_02_14_archive.html

Dokumentarfilmwoche Hamburg
April 2008

Keine Spur vom Sozialismus - Moskau kann sich zumindest im Zentrum mit den Metropolen des Kapitalismus messen: Reichtum, Protzigkeit, auch Schönheit soweit das Auge reicht, Moskau ist nicht mehr die graue Stadt der Apparatschiks. Doch mit der Demokratie hapert es, besonders wenn der Grad der Demokratisierung am Umgang der Bevölkerung mit Minder heiten gemessen wird. Zwar wurde schon
unter Jelzin der Paragraph 121 abgeschafft, der schwul-lesbische Liebe verbot. Doch Toleranz und Gleich mut im Umgang miteinander haben sich noch lange nicht eingestellt. Deutlich wurde dies bei den Demonstrationen zum Christopher Street Day (CSD) 2006 und 2007. Das Demonstrationsrecht wurde von der Stadt ver wal tung kurzerhand außer Kraft gesetzt und eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Demonstranten, religiös oder rechtsnational gesinnten Gegendemonstranten sowie der Polizei in Kauf genommen. Zu Schaden kamen neben etlichen russischen Homosexuellen auch zugereiste Demonstranten aus dem Ausland. Von hier kam sowieso ein großer Teil der Christopher-Street-Aktivisten. Zur gleichen
Zeit traf Hick am Sommer strand der Moskwa Schwule, die sich von hier aus ihre Gedanken über die weltweiten Demonstrationen zum CSD, über Liberalisierungstendenzen in Russland und schwule
Überlebensstrategien in einer homophoben Gesell schaft machen. Wie wenig lohnenswert vielen die Durchsetzung demokratischer Prinzipien erscheint, wird am Ende zumindest nachvollziehbar.



ANSA.it
Francesco Gallo

» 2008-02-06 14:30
AL FESTIVAL L'ISLAM DI OGGI TRA SESSO E FEDE
dell'inviato Francesco Gallo

BERLINO - Trasversale alle molte sezioni di questa 58ma edizione del Festival di Berlino c'é, oltre la musica, il difficile rapporto tra sessualità e l'Islam. Un argomento scottante e pieno di tabù in cui la cultura islamica, in una sorta di coming out, mostra la sua sessualità tra conformismo e trasgressione. Ad aprire la sezione documentari di Panorama ci sarà intanto 'A Jihad For Love' di Parvez Sharma che guarda al conflitto tra sessualità e religione esaminando le vite dei devoti Musulmani omosessuali.

Sharma, indiano di nascita, musulmano e cresciuto fra Gran Bretagna e Stati Uniti in questo suo film intervista gay musulmani di tutto il mondo, spaccati fra la fede e l'omosessualità. Per lui, come ha dichiarato a The Independent, "é importante non trattare l'Islam come un monolito. Mentre è così che molti in Occidente vogliono vederlo". E aggiunge, "Troppi film sull'Islam sono mediati da occhi occidentali. Oggi tutti saltano sul carro musulmano. Ma pochissimi di quei film rendono giustizia all'Islam. Peccano di scarsa comprensione".

Il film è prodotto da Sandi Dubowski che aveva già affrontato il tema degli ebrei gay ortodossi in Trembling Before G-d. 'Corazones de Mujer' di due registi e produttori italiani Davide Sordella e Pablo Benedetti che firmano con K. Kosoof, (in arabo vuol dire eclisse), è un film, girato tra Torino e Marocco, con soli 50mila Euro sulla sessualità 'altra' nell'Islam vista appunto da un occidentale. Lo spunto è la storia vera di un sarto travestito di origine marocchina e di una promessa sposa araba che vive a Torino e deve recuperare la verginità perduta. Da qui un viaggio verso Casablanca alla scoperta della sensibilità islamica verso l'omosessualità e la verginità femminile. Ancora tra sessualità e politica altri film come 'The Other Instanbul' di Dondu Kilic, viaggio nelle comunità gay della metropoli turca, e 'Improvvisamente l'inverno scorsò dei registi italiani Gustav Hofer e Luca Ragazzi.

Due giovani autori che sono coppia nella vita oltre che sul set, che tra fiction e documentario indagano sull'omofobia della società italiana intervistando persone comuni, ma anche esponenti di spicco della classe politica. E ancora East/West' di Jochen Hicks documentario del regista tedesco sullo stato delle cose della sessualita 'altra' a Mosca e 'Dead Gay Men and Living Lesbians' di Rosa von Praunheim, gay filmmaker e scrittore, nato il 1942 a Riga che ha scelto il nome d'arte Rosa in ricordo del triangolo rosa appuntato agli omosessuali nei campi di concentramento nazisti.

Ci sarà poi 'The amazing truth about Queen Raquela' di Olaf de Fleur Johannesson (Islanda). Una incursione del documentarista islandese nella fiction con la storia della transessuale Raquela che viaggia per il mondo in cerca del suo principe azzurro. Torna sulle violazioni dei diritti umani nel carcere di Abu Ghraib, attraverso le foto già pubblicate dai media occidentali nelle quali non mancano i risvolti sessuali a sfondo razzista, 'S.O.P. (Standard Operating Procedure)', l'atteso film in concorso del premio Oscar Errol Morris. Infine, arrivano sorprese anche nella ricca e eterogenea sezione Forum. E' il caso del documentario iraniano 'Be like others' della regista Tanaz Eshaghian (già al Sundance).

Di scena l'inaspettata realtà sulla controcultura transessuale in Iran dove cambiare sesso è legale, a dispetto dei valori più tradizionali di questo paese. E sempre a Forum, nelle proiezioni speciali, probabilmente farà scandalo il film del regista filippino Khavn De La Cruz che in 'The Muzzled Horse of Engineer in Search of Mechanical Saddles', mette in scena con musica sparata a mille immagini pornografiche e le ossessioni voyeuristiche per i cavalli da parte di un uomo di Manila appena licenziato.

Deutschlandradio
Wolf Eismann, 24.11.2008


http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/880905/

Mai 2006: Russische Polizisten behindern Nikolai Alexeyev. Der Organisator der Gay Pride Parade in Moskau wollte Blumen
am Grab des unbekannten Soldaten niederlegen. Neonazis störten die Parade massiv. (Bild: AP Archiv)

Kämpfen und Verstecken
Jochen Hicks dokumentiert Leben von Schwulen in Moskau

Schwule und Lesben leben gefährlich in Russland. Bei der Gay Pride 2006 in Moskau werden die Demonstranten von Sicherheitskräften, militanten orthodoxen Christen und Neonazis attackiert. Filmemacher Jochen Hicks zeigt in seiner Dokumentation "East West - Sex & Politics" Bilder der Attacken, porträtiert aber auch die Kämpfer für mehr Gleichberechtigung und die schwule Subkultur der russischen Hauptstadt. "Moskau ist nicht Sodom" skandieren aufgebrachte Passanten im Zentrum der russischen Metropole. Der Aufruhr richtet sich gegen Homosexuelle, die es hier im Mai 2006 - trotz Demonstrationsverbots - wagen, öffentlich für ihre Rechte einzutreten. Unter ihnen auch Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen ... "Es ist beängstigend, wie hier die offene Gewalt ... Sie sehen das hier gerade ... - Die Sicherheitskräfte sind nicht präsent ... " (geht im Tumult unter) Kurz darauf wird Beck - mit einer Platzwunde am Kopf - von der Moskauer Polizei festgenommen. Regisseur Jochen Hick ist mit seiner Kamera dabei und zeigt die Szene jetzt in seinem Film "East/West - Sex & Politics", einer Dokumentation über die schwul-lesbische Szene in der Hauptstadt Russlands.
Offiziell ist Homosexualität in Russland seit 1993 legalisiert. Der Alltag sieht allerdings anders aus. Auch die geplante Gay-Pride-Demonstration wurde 2006 kurzerhand verboten. Als die Homosexuellen trotzdem durch die Stadt zogen, wurden sie von Sicherheitskräften, militanten
orthodoxen Christen und Neonazis attackiert. Nikolai Alekseev, der den Gay Pride in Moskau organisiert, gibt dennoch nicht auf.
Die Tatsache, dass hier so viele Menschen gegen die Homophobie protestieren, sagt er, sei fantastisch.
Jochen Hick, Autor, Kameramann, Produzent und Regisseur in einer Person und bekannt für seine Dokumentationen aus dem schwulen Alltag, stellt in seinem neuen Film ein rundes Dutzend Schwule und Lesben vor, die in Moskau leben und ganz unterschiedlich mit ihrer Homosexualität
umgehen. Nicht alle sind - wie Nikolai Alekseev - bereit, für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Ed Mishin zum Beispiel. Er gründete in den 90er Jahren ein schwules Internet-Portal, inzwischen die meist besuchte russische Gay-Site. Seit 2003 ist er zudem Herausgeber des schwulen Hochglanzjournals KWIR.
Kaum jemand unterstützt die Gay Pride, weil sie unser Leben härter macht, erklärt er. Wir sehen darin keinen Vorteil. Und auf Alekseev angesprochen, fügt er hinzu: Dass diese Aktionen die Homophobie verringern, das sehen wir nicht.
Der Film von Jochen Hick zeigt, dass in Russland ein tiefes Bedürfnis besteht, in der Mitte der Gesellschaft zu sein. Vielen Schwulen und Lesben ist es unangenehm, dass die Gay-Pride- Demonstrationen 2006 und 2007 in Moskau ein so großes internationales Presseecho gefunden haben. Sie befürchten, dass sich die schwulenfeindlichen Gruppen dadurch noch mehr provoziert fühlen. Gleichzeitig aber nimmt man staunend zur Kenntnis, dass Berlin beispielsweise einen schwulen Bürgermeister hat...
Doch die homosexuelle Szene in Moskau ist extrem zerstritten. Viele der Wohlhabenderen haben es sich zudem einigermaßen bequem in ihren Nischen einrichten können. Russland ist Business, sagt Dimitrii Bobrov, ein gefragter DJ der Moskauer Club-Szene. Wir machen Geld auf verschiedenen Ebenen. Und kein Schwein kümmert es, ob du hetero, schwul oder lesbisch bist. Solange du deine eigene Öl-Pipeline hast.
Jochen Hick blickt in seinem Film "East West - Sex & Politics" hinter die Kulissen des glanzvollen Moskaus, schaut in die Hinterzimmer der Subkultur, porträtiert einfühlsam Organisatoren, Befürworter und Gegner der politischen Lesben- und Schwulenbewegung. Zwischendurch zeigt er
westeuropäische Sympathisanten in London, Brüssel und Genf, die die Entwicklung mit banger Hoffnung begleiten.
Die Perspektiven sind jedoch alles andere als optimistisch. Auf Druck der religiösen Rechten werden beliebte Treffpunkte in den Moskauer Parks von den Behörden abgeriegelt. Alexej Mitrofanow, der einzige Politiker, der sich für das Versammlungsrecht von Lesben und Schwulen ausgesprochen
hatte, verpasste bei den Duma-Wahlen im Dezember 2007 nach 14 Jahren erstmals den Wiedereinzug ins Parlament. Juri Lushkov, als Bürgermeister von Moskau wiedergewählt, versprach, auch zukünftig dem "satanistischen Treiben" der homosexuellen Aktivisten Einhalt zu gebieten.
© 2008 Deutschlandradio
Deutschlandradio Kultur - Fazit - Kämpfen und Verstecken
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/880905/


Der Tagesspiegel
27.11.08 Jan Gympel

Wie weit es in der Russischen Föderation mit Demokratie und Menschenrechten her ist, das wurde eindrucksvoll bewiesen, als eine Handvoll Aktivisten 2006 versuchte, in Moskau eine Schwulen- und Lesbendemo zu organisieren: Die Machthaber hetzten den rechten Pöbel auf oder ließen ihm zumindest freie Hand, und die Kirche mischte wohl auch mit. In der eindrucksvollen Dokumentation von Jochen Hick kommen Moskauer Schwule und Lesben zu Wort. Man erfährt, wie viel schlimmer die Verhältnisse andernorts in der Ex-Sowjetunion sein sollen, von der Zerstrittenheit der Aktivisten, seltsamen Allianzen und dem Desinteresse vieler „Betroffener“. Ein interessanter Einblick in ein Land, wo diverse Formen des Hasses salonfähig sind, entstanden über ein Jahr hinweg – bis zum nächsten Versuch eines „Gay Pride“, dem wieder brutal begegnet wird. Erhellend. Jan Gympel

„East/West – Sex & Politics“, D 2008, 97 Min., R: Jochen Hick

Deutsche Zeitung Moskau
Interview Alexander Heinrich

"Aufhängen, umbringen"

Der Doku-Film „East/West - Sex & Politics“ wirft ein Schlaglicht auf die Situation von Schwulen und Lesben in Russland.

Für den Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow ist die Sache klar: Homosexualität sei eine Massenvernichtungswaffe“ des Westens, mit dem Ziel, die russische Gesellschaft und ihre Werte zu untergraben. Zwei Jahre lang hat der Filmemacher Jochen Hick die Aktivisten der immer wieder verbotenen CSD-Paraden in Moskau begleitet. Sein Dokumentarfilm „East West – Sex & Politics“ feierte Mitte Februar auf der Berlinale Premiere. Alexander Heinrich sprach mit dem Regisseur über Stammtischparolen und das Schweigen der Mehrheit.

A. Heinrich: Sie haben bereits in der Szene in New York gedreht und das Leben von Homosexuellen in der deutschen Provinz beobachtet. Wie sind Sie auf Russland gekommen?

Jochen Hick: Ich habe schon vor einigen Jahren für Arte eine Dokumentation über Schwule und Lesben in Osteuropa gedreht, unter anderem in Lettland und in Polen. Dort habe ich Nikolaj Alexejew kennen gelernt, der die Demonstrationen zum CSD in Moskau organisiert. Seine Berichte haben mein Interesse geweckt.

Sind Sie bei den Dreharbeiten auf Schwierigkeiten gestoßen?

Wir wurden einige Male von der Miliz aufgegriffen und mussten uns ausweisen. Andererseits war es kein Problem, Alexej Mitrofanow in der Duma zu interviewen oder im Umfeld von Gerichtsverhandlungen zu filmen. Wir wurden beobachtet, aber vielleicht hat man unser Drehprojekt als zu klein oder unbedeutend eingeschätzt, um unsere Aufnahmen zu verhindern.

Welchen Vorurteilen begegnen russische Homosexuellen im Alltag? Auf welche Vorbehalte sind Sie bei Ihren Dreharbeiten gestoßen?

Der Film fängt viele drastische O-Töne ein: Aufhängen, Umbringen – das waren solche Sprüche. Andererseits trifft man auf Leute, die sagen, wir haben nichts gegen Schwule, wir hassen Kaukasier. Was ich immer wieder feststellen konnte: Die Menschen wissen in Russland oft viel zu wenig über Homosexualität. Zwar wurde der Schwulen-Paragraph 121 im Strafgesetzbuch 1993 abgeschafft. Und trotzdem sind Ärzte zum Beispiel bis heute manchmal unsicher, ob sie Homosexualität als Krankheit einordnen sollen oder nicht. Außerdem spielt in Russland die Kirche mit ihrer Haltung gegenüber Homosexualität eine noch unrühmlichere Rolle als in vielen anderen Ländern.

In Moskau und St. Petersburg werden CSD-Demonstrationen regelmäßig verboten. Wer trotzdem demonstriert, wird festgenommen oder von Milizionären verprügelt. Wie reagieren Schwule und Lesben auf diese politische Ausgrenzung?

Bis auf eine kleine Gruppe von Aktivisten arrangieren sich die meisten mit der Situation. Wenn Schwule und Lesben mehr oder weniger im Verborgenen bleiben und ihre sexuelle Orientierung nicht in der Öffentlichkeit thematisieren, dann ist das für die schweigende Mehrheit in Ordnung. Aber diese Art von Toleranz ist natürlich äußerst labil. Alle Versuche, Christopher-Street-Days in den Straßen russischer Städte zu etablieren, wurden bisher unterbunden. Die Minderheit hat also kaum die Chance, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Und nicht nur das: Solche Demonstrationen spielen auch eine wichtige Rolle, Gleichgesinnte zu finden, sich mit der eigenen sexuellen Orientierung zu identifizieren, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das alles ist in Russland offenbar bisher nicht erwünscht.

Tickt die Szene in Moskau anders als in westlichen Metropolen?

Moskau ist eine lebendige und für mich eine unglaublich faszinierende Stadt. Natürlich gibt es hier eine ganze Reihe Clubs für Schwule und Lesben. Aber gegenüber den geschätzten 15 Millionen Einwohnern ist diese Szene dann doch recht klein und überschaubar. Außerdem kann sich nicht jeder den Eintritt für die Clubs leisten. Parkanlagen, in denen sich früher ärmere Schwule treffen konnten, wurden im vergangenen Frühjahr auf Provokation christlich-orthodoxer Gruppen geschlossen.

Einerseits gibt es Anfeindungen im Alltag. Andererseits finden einige bekennende homosexuelle Künstler im Fernsehen breiten Raum. Sind Sie bei Recherche und Dreharbeiten auf solche Widersprüche gestoßen?

Ich war vor einigen Jahren auf einem Festival in Perm zu Gast, und dort sagt jemand zu mir: Was hast du, bei uns gibt es doch Schwule, zum Beispiel die Tänzer im Bolschoi-Theater und sie werden sogar geachtet. Klar, es gibt Nischen, in denen Homosexuelle akzeptiert werden. Aber diese Toleranz spielt sich eben fast nur auf dem Level des Paradiesvogels ab. Das ist eine Art winziges Toleranz-Ventil der Gesellschaft und das ist nicht nur in Russland so, sondern überall auf der Welt, wo Homosexuelle unerwünscht sind. Natürlich verdient es Anerkennung, wenn ein Künstler in Russland offen zu seiner sexuellen Orientierung steht. Aber man darf nicht vergessen, dass diese wenigen Künstler Freiheiten und Möglichkeiten haben, von denen normalsterbliche Schwule in Russland nicht mal träumen können.

Muss man den Russen nicht Zeit für eine Entwicklung zugestehen, die bei uns schließlich auch Jahrzehnte gebraucht hat?

Klar kann man sagen, dass das eben seine Zeit braucht. Russland hat keine lange demokratische Erfahrungen, das stimmt und das hat sicher nichts mit westlicher Überheblichkeit zu tun, wenn man das erst mal so feststellt. Aber andererseits zeigt sich Russland zumindest in seinen Metropolen als ein supermodernes Land. Ich habe den Eindruck, dass der wachsende Wohlstand das Bedürfnis nach gesellschaftlichen Fortschritten geradezu überrollt. Wenn ich auf Vorurteile bei Menschen treffe, die wenig Geld haben, die vom gesellschaftlichen Leben und von politischem Einfluss ausgeschlossen sind – dann ist das nicht schön, in gewissen Grenzen aber nachvollziehbar. Aber wenn die politische Klasse vollkommen desinteressiert an diesem Thema ist, oder in öffentlichen Reden auch noch verbal auf Minderheiten eindrischt, dann gibt es dafür einfach keine Entschuldigung. Das sind Leute, die es einfach besser wissen müssten. Trotzdem findet sich kein Duma-Abgeordneter, der öffentlich eine Lanze bricht für die Toleranz. Man mag über Alexej Mitrofanow denken, wie man will – in dieser Beziehung ist er die einzige Ausnahme. Ich weiß nicht, ob Toleranz gegenüber Minderheiten im Westen einfach nur ein besonderes Luxusgut ist, welches man sich in 250 Jahren mühsam erarbeitete. In Russland wird so etwas jedenfalls im Moment nicht sonderlich geschätzt.

Werden Sie den Film in Russland zeigen?

Ich hoffe, dass wir East/West auch in Russland zeigen, wir werden uns darum bemühen. Er ist ein Plädoyer für Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten – und deren Situation ist natürlich übertragbar auf alles andere, auf die demokratische und politische Kultur. Natürlich steht immer der Vorwurf der Einmischung im Raum: Aber so lange die Situation in Russland so ist, wie sie ist, darf und muss man auch darauf aufmerksam machen.

Denken Sie, dass das russische Publikum den Film mit anderen Augen sieht?

Russische Dokumentarfilme stehen in einer anderen Tradition, sie sind in ihrer Bildersprache, in ihren Aussagen oft sehr geradlinig und sehr eindeutig. Westeuropäische Filme stellen eher Fragen und überlassen dem Zuschauer mehr Freiheit für die Interpretation. „East/West“ ist in diesem Sinne ein sehr vielschichtiger Film geworden, aber gerade in dieser Vielschichtigkeit ist es eben auch ein Film, der sich an alle richtet, ob es nun Deutsche oder Russen oder eben Homo- und Heterosexuelle sind.

The Advocate
Lawrence Ferber

Jochen Hick’s East/West -- Sex & Politics documents the turbulence of recent gay pride efforts in Moscow.




Die TAZ / Hamburg
Klaus Irler

taz: Herr Hick, wie lebt es sich als homosexueller Russe in Moskau?

Jochen Hick: Das ist wie überall auf der Welt auch eine soziale Frage:
Wenn man viel Geld hat, lebt man auch in Russland ganz gut. Wenn man wenig Geld hat, dann stehen einem nicht einmal die wenigen Schwulen-Bars zur Verfügung. Es gibt nicht mal ein Dutzend Bars in Moskau, einer 14-Millionen-Einwohner Stadt.

Und das bedeutet?

Dass sich die Leute auf der Straße oder in Parks treffen müssen. Wir haben auch diese Szene im Film wo man sehen kann, dass die Gregorianer, das ist eine christlich-rechtsnationale Gruppe, dafür gesorgt haben, dass diese Parks, Treffpunkte für Schwule und Lesben abgesperrt wurden.
Unter den Aktivisten gibt es welche, das sind zum Teil Studenten, die wohnen zu zehnt in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung.

Wie haben Sie Ihre Protagonisten gefunden?

Wir kannten durch Vorrecherchen viele Leute. Und dann beginnt man zu drehen und trifft dabei wieder andere Leute. Zentraler Ausgangspunkt
für unsere Arbeit waren die Veranstalter der Gay-Pride-Paraden.

Jene beiden Paraden in den Jahren 2006 und 2007, bei denen es zu Ausschreitungen gegen die schwulen Demonstranten kam und die Polizei zuschaute?

Ja. Wir sind von den beiden Märschen ausgegangen und haben uns gefragt: Warum gehen da so unglaublich wenige Leute hin? Das sind ja nie mehr als zwischen 20 und 50 Demonstranten, dazu vielleicht 100 Journalisten und 300 bis 500 Gegendemonstranten. Wie kann es sein, dass es in diesem Land für so wenige Leute ein Bedürfnis ist, für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu kämpfen?

Und was ist Ihre Antwort?

Dieser Kampf bringt zu wenig Anerkennung - weder innerhalb der Gruppen, noch innerhalb der Gesellschaft. Auf die Aktivisten wird herabgeschaut
und es wird gesagt: Im Grunde sind das doch nur ganz große Looser.

Das ist das Bild, das auch andere Schwule und Lesben von den Aktivisten haben?

Ja. Es gibt viele Schwule und Lesben, die sagen: Wir wollen eigentlich nicht, dass das Thema so in die Öffentlichkeit getragen wird. Die Demonstrationen 2006 und 2007 hatten ja extrem viel internationales Presseecho. Manche Schwule fanden, dass sich die schwulen-feindlichen
Gruppen wie die Kirche oder die Rechten dadurch erst nochmal richtig formiert hätten. Die Szene ist extrem zerstritten. Viele sagen, dass es
eine gewisse Ähnlichkeit hat mit der Situation Ende der 60er inDeutschland, wo ein paar sehr offensiv waren und der Rest sagte: Die
Gesellschaft ist noch nicht so weit.

Aber warum werden die Aktivisten als Looser betrachtet?

Es heißt, die Aktivisten wollen mit ihrem Engagement nur gesellschaftliche Anerkennung erreichen, und ansonsten seien sie doch
völlig erfolglos und hätten nichts zu melden. Es gibt in Russland ein unglaubliches Bedürfnis, in der Mitte der Gesellschaft zu sein. Und da
sind Sie garantiert nicht als schwuler Aktivist mit Forderungen fürsexuelle Minderheiten.


Wann ist man in Russland in der Mitte der Gesellschaft?

Wenn man bei dem Konsum, in dem Russland schwelgt, mit machen kann. Das für uns im Westen Rätselhafte ist, dass auch zu den "Märschen der Unzufriedenen" so wenige Demonstranten gehen. Es scheint keine große politische Unzufriedenheit zu geben. Dazu kommt, dass in einem Land, das Kriege führt, selbst Menschenrechtsorganisationen sagen: Meine Güte, wir haben doch wirklich andere Probleme, als ein paar umher rennende Schwule.

Welche Reaktionen haben Sie auf den Film erhalten?

Wenn East / West in westlichen Ländern läuft, dann sind die Aktivisten alles Helden. In Russland sagen die Leute: Der Film zeigt, was das für
Looser sind. Denn die kriegen nur eins auf die Mütze und schaffen nichts. Wir haben ja auch dieses christliche Konzept, dass man
Sympathien für den Schwachen hat. In Russland passiert das seltener. Da wird nur der Erfolgreiche herausgehoben.

Bringt der Kapitalismus nicht immer auch ein liberaleres gesellschaftliches Klima mit sich?

Es kann sein, dass der Kapitalismus irgendwann etwas an Liberalität bringt. In den letzten zwei Jahren aber sieht es so aus, dass Russland
sich eigentlich wieder mehr abschottet. Die liberalste Zeit war vielleicht Anfang / Mitte der 90er. Das schwul-lesbische wird heute oft als Dekadenz aus dem Westen gesehen, als etwas, das nicht der Tradition des Ostens entspricht.

Wie sieht die Haltung des Kreml gegenüber Schwulen aus?

Ende Januar 2007 hat Putin gesagt, er habe Verständnis für die Bedürfnisse der "sexuellen Minderheit", so werden die Schwulen und Lesben in Russland bezeichnet. Aber er mache sich Sorgen um die demographische Entwicklung in Russland - er meinte damit den Bevölkerungsschwund. Das haben viele Kirchenvertreter und viele Rechte übernommen, um ihre Schwulenfeindlichkeit zu begründen.

Was sagt die russische Intelligenz zu diesem Thema?

Es gibt kaum wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Sexualität in diesem Land. 1993 schaffte Jelzin den Paragraphen 121 ab, der homosexuelle
Beziehungen unter Strafe stellte, weil das unter anderem eine Bedingung war, um in den Europarat zu kommen. 1998 verschwand Homosexualität von der Liste der psychiatrischen Erkrankungen. Davor wurde sie in der Wissenschaft noch als Krankheit gesehen.

Spiegel Online
27.11.08- Daniel Sander

CSD-Parade oder nicht CSD-Parade? Der Dokumentarfilm "East/West – Sex & Politics" begleitet Protagonisten der Moskauer Schwulen- und Lesbenbewegung auf der Suche nach sich selbst - und schildert die Schwierigkeiten der Szene, in einer feindseligen Umgebung zu überleben.
Um die 14 Millionen Menschen leben in Moskau, da müssten eigentlich eine ganze Menge Schwule und Lesben dabei sein. Doch 2006 und 2007 fanden sich zur "Moscow Pride", dem Äquivalent zum international gefeierten "Christopher Street Day", keine 50 Leute, die auf der Straße für ihre Rechte demonstrieren wollten. Immerhin waren etwa doppelt so viele Journalisten da. Und zehnmal so viele Gegendemonstranten, um die Schwulen zur Hölle zu wünschen. Oder zu verprügeln. Die Bilder des blutenden deutschen Grünen-Politikers Volker Beck, der sich wie einige andere Westler den wenigen russischen Aktivisten angeschlossen hatte, gingen um die Welt. Freie Liebe unter Schwulen und Lesben, so die Botschaft, scheint in Moskau unerwünscht. Umso nötiger wäre es, dass Schwule und Lesben sich einer Parade anschließen, bei der es um ihre Selbstbestimmung geht. Aber wenn sich kaum ein Moskauer für seine Rechte einsetzt, wozu braucht es dann die Unterstützung aus dem Westen? Das fragte sich auch der deutsche Dokumentarfilmer (und mittlerweile auch als Chefredakteur des Schwulensenders "Timm" bekannt gewordene) Jochen Hick und begann mit der Dokumentation "East/West – Sex & Politics", die am Donnerstag ins Kino kommt. Hick hatte sich zuvor schon höchst spannend und unterhaltsam mit dem schwulen Alltag in Kalifornien ("Sex/Life in L.A.") und der deutschen Provinz ("Ich kenn' keinen – Allein unter Heteros") auseinandergesetzt. Dieses Mal also hängte er sich an die Truppe um den russischen "Pride"-Organisator Nicolai Alexejew, um zu schauen, was denn da los ist.

Es ist ein deprimierendes Bild, das Hick in "East/West – Sex & Politics" von der Schwulen- und Lesbenbewegung in Moskau zeichnet. Denn Alexejew und seine Handvoll Kampfeswilliger sind nicht nur bei den Ultrareligiösen verhasst – selbst in der schwulen Szene gelten sie vielen als Verlierer, die alles nur noch schlimmer machen. Selbst Ed Mishin, erfolgreicher Verleger der größten russischen schwulen Website und eines Magazins, lehnt politischen Aktivismus ab und hält Alexejew für einen profilneurotischen Spinner. Wie viele andere findet er, dass es doch alles nicht so schlimm sei für Schwule und Lesben in Moskau, man könne ganz gut leben, solange man sich einigermaßen ruhig verhalte. Eine Parade würden die Konservativen nur als Provokation empfinden, und am Ende gäbe es nur noch mehr Beschränkungen. Dass sich so viele Westler an dem Umzug beteiligen, empfinden einige in der Szene sogar als Provokation, andere halten es für die übliche Belehrung der arroganten Westler.

Hick versucht, eine möglichst ausgeglichene Perspektive zu finden und lässt in seiner formal ungewohnt konventionellen Doku viele verschiedene Protagonisten zu Wort kommen, vielleicht ein paar zu viele. Ein erfolgreicher DJ, dem es vor allem um Glamour geht, ein bisexueller Fotograf, der nicht versteht, wo das Problem liegt, ein Aktivist, der seinen Freund bei einem Angriff von Neonazis verloren hat und selbst halbtot geprügelt wurde, ein schriller Travestiekünstler, eine Ikone der Lesbenbewegung – es gibt keine Einheit, keinen gemeinsamen Willen, kein Ziel, dem sich alle verschreiben mögen. Am Ende lässt einen dieser Film noch ratloser zurück als am Anfang. Das macht ihn nicht weniger wichtig.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,592942,00.html

Der Biograph
24.11.2008

Doku über den Umgang mit Homosexualität in Moskau: Vergleiche mit Päderasten und Satanisten seitens der Bevölkerung belegen den rückständigen Umgang mit der sexuellen Minderheit. Zumindest im begrenzten Blickwinkel des Films erlebt man eine aggressive Bevölkerung, während politisch aktive Schwule, die für die erste Gay-Pride Moskaus kämpfen, auch in den eigenen Reihen umstritten sind.
(he)
http://www.biograph-online.de/info-122681

Frankfurter Algemeine Zeitung
29.11.2009 - verena Lueken

East/West Sex & Politics
Schwules Leid

Es gibt keine Schwulenbewegung in Russland, die vereint gegen die oft gewaltsame Homophobie und gegen die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung kämpfen würde. Es gibt Aktivisten mit internationalen Verbindungen, Einzelkämpfer und eine große Anzahl Homosexueller, die ohne politischen Ehrgeiz und ohne Engagement für mehr Demokratie versuchen, ihr Stück vom Kuchen neuer Freiheit und neuen Geldes abzuschöpfen. Jochen Hicks begleitet in seinem Dokumentarfilm Vertreter all dieser Lebensformen, wobei die 2006 und 2007 initiierten Gay Pride Parades eine lose Klammer bilden. Wir lernen auf diese Weise eine große Anzahl von Menschen kennen, und besonders jener Junge namens Aleksei, der aus einer aramäischen Familie stammt, bleibt in Erinnerung. Er sieht aus wie eine Figur aus einem Turgenjew-Roman, blass, dünn und traurig, und seine Geschichte ist herzzerreißend. Sein Vater war als Schwuler interniert und im Lager umgekommen, seine große Liebe wurde erschlagen, von denselben Leuten, die ihn ins Koma prügelten. Ihm gebührte ein eigener Film. lue. (www.faz.net Text: F.A.Z., 29.11.2008, Nr. 280 / Seite 36)

007-berlin.de
November 2008

"Anknüpfend an die mit Gewalt aufgeladenen Moskauer CSDs 2006/07 porträtiert die Dokumentation das lesbisch-schwule Leben in der russischen Hauptstadt. Der Film blickt in die Abgründe von Lethargie und Resignation, zeigt aber auch die Vielfalt von Überlebensstrategien und die Kraft des Widerstands."


Kultur Spiegel (Print)
24.11.2008

Als Chronist der Lebenswelten schwuler Männer hat sich Dokumentarfilmer Hick bislang unter anderem den USA ("Sex/Life in L.A.") und der deutschen Provinz ("Ich kenn' keinen") gewidmet, stets mit sehr erhellenden und überaus unterhaltsamen Ergebnissen. Sein neuer Film über die sich erst langsam formierende Schwulenbewegung in Moskau und ihren umstrittenen und selbsternannten Anführer Nikolai Alexejew ist da im Vergleich ziemlich konventionell geraten. Interessante Einblicke gibt es trotzdem, vor allem was die gutgemeinte, womöglich aber eher kontraproduktive Einmischung von Aktivisten aus dem Westen betrifft.

Fluter - www.fluter.de
27.11.08 - Ingrid Beerbaum

East/West - Sex & Politics
Leben und Lieben im Verborgenen
Ingrid Beerbaum | Kinostart: 27.11.2008
Vor zwei Jahren gingen die Bilder des am Kopf blutenden Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen ) um die Welt. Er hatte an der Moskauer Gay Pride Demonstration teilgenommen, die mehr Rechte für russische Homosexuelle forderte. Beck wurde dabei von rechten Ultranationalisten verprügelt, was eine kurze internationale Welle der Entrüstung nach sich zog. Den russischen Lesben und Schwulen half das aber nicht. Zwar wurde schon 1993 der Paragraph 121 abgeschafft, der einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Trotzdem bekennt sich nur eine verschwindende Minderheit in Russland zu ihrer sexuellen Orientierung oder engagiert sich gar politisch. Der Großteil will nur seine Ruhe und lebt seine Neigung im Verborgenen. Denn wer sich in Russland wodurch auch immer von der Masse abhebt, wird schnell zum
sozialen Außenseiter. Mit einer Ausnahme: Man hat viel Geld. Dann kann man leben, wie man will. So empfindet es jedenfalls der erfolgreiche russische DJ Dmitrii Bobrov, einer der Protagonisten aus Jochen Hicks Dokumentarfilm "East/West - Sex & Politics".
Ausgehend von den Bildern der Gay Pride Demonstrationen 2006/07 zeigt Hick, wie vielfältig in Moskau heute homosexuelles Leben ist. Politische Aktivisten und Menschenrechtler treffen auf überdrehte Nachtschwärmer und Lebenskünstler. Wie auch schon in seiner Dokumentation "Ich kenn keinen" über ältere Schwule in der deutschen Provinz taucht er in die Welt seiner Protagonisten ein, besucht sie in ihren Wohnungen, zeigt sie bei der Arbeit oder im Nachtleben. Nebenbei kommen auch Sympathisanten wie ein aufsässiger orthodoxer Priester, einige EU-Parlamentarier oder ein fragwürdiger russischer Politiker zu Wort. Ebenso lässt er Passanten und Vertreter der russischen Ultrarechten sprechen, die aus ihrer homo- und fremdenfeindlichen Einstellung keinen Hehl machen. Gerade jene Aussagen zeigen, wie weit Russland nach westlichen Maßstäben von Demokratie entfernt ist. Denn diese misst sich auch am Umgang mit so genannten Minderheiten. Wenn aber selbst der Moskauer Bürgermeister Luschkov Lesben und Schwule öffentlich als Satanisten bezeichnet, scheint es damit nicht weit her zu sein. Der Kampf der wenigen Aktivisten/innen scheint also beinahe aussichtslos. Am Ende kann man nachvollziehen, warum die Mehrzahl der Lesben und Schwulen am politischen Kampf nicht interessiert ist. Sie wollen einfach nur ihr Leben leben.
Ingrid Beerbaum

Katholischer Filmdienst
1.12.2008 - Ulrich Kriest

East/West – Sex & Politics

Dass es in Berlin einen Regierenden Bürgermeister gibt, der gesagt haben soll: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so!“, sorgt in Moskauer Schwulen-WGs noch immer für ungläubiges Staunen. In Moskau ticken die Uhren leider noch etwas anders: Wenn Homosexuelle hier die Öffentlichkeit der Gay Pride-Paraden suchen, müssen sie damit rechnen, beschimpft, verhaftet oder verprügelt zu werden. Dann stehen ihnen alte Mütterchen gegenüber, die sich fortwährend bekreuzigen, während sie die Homosexuellen als „Ausgeburt der Hölle“ beschimpfen. Oder bärtige Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche, deren martialisches Auftreten an die Hell’s Angels gemahnt. Die Bilder von den gewaltsamen Ausschreitungen der Gay Pride-Paraden 2006 und 2007 gingen durch die Medien, auch, weil westliche Beobachter wie der Grünen-Politiker Volker Beck damals körperlich attackiert wurden, obwohl der Artikel 121 des russischen Strafgesetzbuches, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, bereits unter der Regierung Jelzin abgeschafft wurde. Für die westlichen Beobachter der Gay Pride-Paraden steht nach den Ausschreitungen fest, dass Russland keine Demokratie ist. Ihr moralischer Protest basiert auf der Forderung nach der Universalität der Menschenrechte.

Doch was zunächst ganz klar und deutlich scheint, wird in Jochen Hicks Film „East/West – Sex & Politics“ durch eine Weiterung der Perspektive schnell widersprüchlich, komplex und schwer durchschaubar. Da ist Putin, der öffentlich erklärt, dass ihn Homosexualität nur unter demografischen Gesichtspunkten sorge (und der für eine solch dämliche Bemerkung nicht ausgelacht wird!). Da ist der Moskauer Bürgermeister Yurii Luzhkov, der die Gay Pride-Paraden verhindern will, weil sie Propaganda seien und der auf einer internationalen Konferenz im Beisein von Klaus Wowereit sagt, Tabakwerbung werde schließlich auch verboten. Da ist die junge Fernsehjournalistin, die vor laufender Kamera erklärt: „Wenn sie den ganzen Tag Propaganda für oder gegen Schwule sehen, denken Kinder mehr über dieses Thema nach, als es gut für sie ist.“ Da ist der im Umgang mit Kameras gewiefte Gay-Aktivist und Organisator der Gay Pride-Paraden, Nikolai Alekseev, der über gute internationale Kontakte verfügt, allerdings innerhalb der Moskauer Gay Community viele Kritiker hat. So kritisiert Ed Mishin, Herausgeber mehrerer homosexueller Publikationen, ganz offen die Relevanz der Gay Pride-Paraden, weil sie die homophobe Aggression der russischen Gesellschaft gewissermaßen wie unterm Brennglas konzentriere. Mishin plädiert entschieden gegen ein offensiv öffentliches Auftreten: „Es ist alles schlecht und homophob, aber privat ist es freundlich und offen. Wie üblich in unserem Land, alles passiert verdeckt.“

Hicks Film liefert eine Menge Hinweise, dass Mishins Einschätzung richtig sein könnte, wenn er mit der Kamera durch die schwule Subkultur Moskaus flaniert und Eindrücke des ausgelassenen Nachtlebens sammelt. Je mehr AktivistInnen, Künstler, DJs und andere Personen vor der Kamera zu Wort kommen, desto verwirrender wird die Situation. Beklemmend sind die Bilder von den Gay-Pride-Paraden, die etwas von der staatlich tolerierten Pogromstimmung erahnen lassen. Noch beklemmender sind die vielen Erzählungen über konkrete Gewalterfahrungen im Alltag, unter denen nicht nur sexuelle Minderheiten zu leiden haben. Zur Homophobie gesellen sich offene Xenophobie und rechtsradikale Schlägertrupps, die die Interessen einer wieder erstarkten russisch-orthodoxen Kirche wahrnehmen, die ihren politischen Einfluss auf Schule, Armee und Parlament erweitern will und sich als politische Kraft zu etablieren versucht.

Gleichzeitig erfährt man – angesichts der Schilderungen von Gewaltakten durchaus staunend –, dass die Verhältnisse in Moskau vergleichsweise liberal sind. Internationale Proteste würden die politischen Eliten Russlands nicht kümmern, wirtschaftliche Sanktionen dagegen zeitigten schnell Wirkung. Letztlich führt Hicks äußerst sehenswerter Film nachdrücklich vor Augen, dass Menschen, die Erinnerungen an Jahrzehnte der Unterdrückung und willkürlichen Gewalt mit sich herumtragen, eine differenzierte und differente Verständlichkeit von Begriffen wie „Freiheit“ oder „Öffentlichkeit“ haben, die man nicht vorschnell vom Tisch wischen sollte. Jochen Hick ist mit „East/West Sex & Politics“ eine ganz erstaunliche und in ihrer Vielstimmigkeit faszinierende Annäherung an den russischen Alltag gelungen, unterlegt, dies nur am Rande, mit einem vorzüglichen Soundtrack elektronischer Musik.

Kurzkritik: East/West – Sex & Politics
Ambitionierter Dokumentarfilm von Jochen Hick, der Einblicke in die Schwulen-Szene in Moskau gewährt und dabei mit jener extrem homophoben Gewalt konfrontiert, mit der reaktionäre Gruppen auf die Szene und ihre Gay-Pride-Paraden reagieren. Er beschreibt aber ebenso die Grabenkämpfe und unterschiedlichen Interessen innerhalb der Homosexuellen-Bewegung. Der vielschichtige und informative Film zeichnet ein differenziertes Bild der russischen Gesellschaft und ermöglicht eine aufschlussreiche Annäherung an den russischen Alltag.



Tip Berlin
27.11.2008

Print Ausgabe:

Online Ausgabe: Moskau gibt sich gern als Russlands dynamisches Zentrum. Doch wenn es um die Freiheit gesellschaftlicher Minderheiten geht, sieht die Realität bitter aus.

Das zeigt Jochen Hicks Doku über Moskaus Gay Community. Nur wenige mutige Einzelkämpfer machen sich vor dem Stadtparlament für gleiche Rechte stark - und ernten dafür verbale und handgreifliche Attacken. Ein ernüchternder Blick auf die russische Gegenwart.

Süddeutsche Zeitung
30.11.08 - Suzan Vahabzadeh

Heimlich überleben
Kein Problem, wenn"s keiner merkt: Ein Film über Schwule in Moskau
Schwulsein in Moskau, finden viele Leute, mit denen Jochen Hick für seinen Dokumentarfilm "East/West - Sex & Politics", sei gar nicht so ein großes Problem - immer vorausgesetzt, dass es keiner merkt. Es geht hier doch, sagt einer, "sowieso nur um Öl, Gas und Geld." Schwulsein in Moskau, lehrt uns dieser Film, ist unter bestimmten Umständen vielleicht wirklich gar nicht so schlimm - wenn man beispielsweise Öl, Gas oder genügend Geld hat, um anderswo zu leben.

Hick hat eine Reihe von Moskauer Homosexuellen begleitet, die versuchten, 2006 und 2007 einen Christopher Street Day zu organisieren, ein Unterfangen, das überwiegend wegen der blutigen Nase bekannt wurde, die sich der zugereiste Bundestagsabgeordnete Volker Beck dabei geholt hat - nur eine kleine Gruppe Demonstranten fand sich jeweils dazu ein, um sich dann von wütenden Gegendemonstranten von der Straße prügeln zu lassen. Unterstützung von oben ist nicht zu erwarten - Putin sieht man, wie er in der Duma das Argument der Rechtsradikalen zitiert, dass die Russen aussterben, Moskaus Bürgermeister Luzhkov bekräftigt, dass er keine Schwulenparade in seinen Straßen will. Eine Szene von schwarzem Humor - er lehne jede Propaganda ab, argumentiert Luzhkov, und die Kamera schwenkt auf einen der Konferenzgäste - auf das befremdete Gesicht des Berliner Kollegen Klaus Wowereit.

So feindlich sich Moskau seinen Homosexuellen gegenüber geriert, es ist doch ihre Metropole - der einzige Ort in Russland, wo sie überhaupt eine Chance haben, sich auszuleben. Aber bitte im Verborgenen - nicht mal in den eigenen Reihen gibt es Unterstützung für die Parade, wird der Sinn einer öffentlichen Diskussion gesehen. Hicks Protagonisten bewegen sich in einer Gesellschaft, die nichts je in Zusammenhang zu setzen scheint - wie Demokratie und Toleranz zusammenhängen, oder dass man rechtsradikaler Gewaltausbrüche auf den Straßen nicht Herr wird, in dem man alles vermeidet, was diese provozieren könnte.

"Sex/Life in L. A." und andere Filme von Hick schwelgen in Melancholie; wenn das hier so anders aussieht und schlichter strukturiert ist, liegt das ielleicht daran, dass es eher ums nackte Überleben geht - um Skinhead-Übergriffe und wirtschaftliche Existenz. "East/West - Sex & Politics" bewegt sich lange zwischen Aufbruch- und Untergangsstimmung. Am Ende siegt der Untergang. SUSAN VAHABZADEH

EAST/WEST - SEX & POLITICS, D 2008 - Regie, Buch und Kamera: Jochen Hick. Mit: Evgeniya Debryanskaya, Nikolai Alekseev, S. Sagaydak, 97 Minuten.



Polar Online
Katharina Sobottka

16 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion und mitten in Putins "gelenkter Demokratie": Russland ist wieder wer. Aber die Menschenrechte sind nun gänzlich irrelevant..

Das Demokratieverständnis einer Gesellschaft kann man am Umgang mit ihren Minderheiten ablesen: Vor 15 Jahren, in der Jelzin-Ära, wurde der Artikel 121 des russischen Strafgesetzbuches abgeschafft, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, und seit 1999 steht Homosexualität in Russland auch nicht mehr auf der Liste der Geisteskrankheiten. In dieser Phase entwickelte sich die erste Welle der russischen Lesben- und Schwulenbewegung und erhielt tatkräftige Hilfe aus europäischen Ländern. Von der »International Lesbian and Gay Association« (ILGA) initiierte und der EU finanzierte Lesben- und Schwulenzentren in Moskau und Petersburg schlossen jedoch bald wieder. Nach ersten CSD-Veranstaltungen in großen Städten — Kulturwochen ohne Demonstration — versank die Bewegung Mitte der 1990er wieder in der Versenkung. Derzeit weht der gesellschaftliche Wind in Russland aus einer anderen Richtung: Der Duma-Abgeordnete Aleksandr Chuev brachte 2005 einen Gesetzentwurf ein, der "Propaganda für Homosexualität" verbieten sollte. Dieser wurde nur knapp abgewiesen. Für den "normalen Russen" sei Homosexualität schlicht "unrussisch", befinden weitere Duma-Abgeordnete. Und die russische Geistlichkeit — egal ob orthodox, muslimisch oder jüdisch — ist sich in einem Punkt ganz einig: Homosexuelle gehören ausgepeitscht. Mindestens.
Moskva Gay Pride

Bild 2: Mit Bibel und Kreuz in der geballten Faust und jederzeit gewaltbereit — aufRechte russische Orthodoxe.

Dennoch (bzw. gerade deshalb) organisierten Nikolai Alekseev, Evgeniya Debryanskaya, Aleksei Davydov u. a. 2006 den ersten Gay Pride in Moskau. Da der Bürgermeister von Moskau, Jurij Luzhkov [1], die Demonstration verboten hatte, beschlossen die Organisatoren, stattdessen Blumen am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder zu legen (siehe Bild 1). Klingt patriotisch, wurde aber als Provokation aufgefasst: Nationalistische und orthodoxistische (wie lautet nur die Entsprechung zu islamistisch?) Gegendemonstranten prügelten auf die wenigen russischen und ausländischen Teilnehmer ein. Die Polizei beschränkte sich darauf, die Opfer am Wegrennen zu hindern. Dabei wurde u. a. der Bundestagsabgeordnete Volker Beck durch einen Steinwurf verletzt: Gewalt gegen Homosexuelle in Moskau.

Auch 2007 wurde die "Satanshow" (O-Ton Luzhkov) verboten. Deswegen unterzeichneten 40 Europaparlamentarier eine Petition zur Versammlungsfreiheit, die der Stadtverwaltung vor dem Moskauer Rathaus übergeben werden sollte. Die Reaktionen von homophober Öffentlichkeit und präsenter Staatsgewalt (inkl. der berüchtigten OMON-Miliz) glichen denen in 2006. Einziger Unterschied: Diesmal wurde Volker Beck verhaftet, bevor er von einem Stein getroffen werden konnte. Auf der Berlinale 2007 war eine Dokumentation mit dem Titel Moskva. Pride ’06 über den ersten russischen CSD zu sehen, die allerdings den Charme" eines Urlaubsvideos und viele, viele, viele Längen hatte.

Glücklicherweise war auch der Dokumentarfilmer Jochen Hick bei dieser Demo und dem zweiten Versuch in 2007 zugegen. In seinem Film mit dem sperrigen Titel »East/West — Sex & Politics« schaut er hinter die Kulissen, porträtiert Organisatoren, Befürworter, aber auch Gegner einer politischen Lesben- und Schwulenbewegung, baut Brücken nach London, Brüssel und Genf zu westeuropäischen Sympathisanten. Er porträtiert ebenfalls die, für die der Kampf um Demokratie keine lohnende Perspektive ist: Ob der Strand der Moskva und abends der Club lockt oder auf automatische Verbesserung der Verhältnisse im Laufe der Zeit gesetzt wird. In »East/West — Sex & Politics« entfaltet sich ein Panorama lesbischer und schwuler Überlebensstrategien im heutigen Moskau.

"Viele Menschen haben es mittlerweile zu einem gewissen Wohlstand gebracht, was der Demokratiebewegung paradoxerweise den Wind aus den Segeln nimmt", meint Jochen Hick, "beispielsweise bei dem versuchten Gay Pride: Da kommen vielleicht 50 bis 100 Demonstranten aus einer 14-Millionen-Stadt zusammen. Dies liegt unter anderem daran, dass die wohlhabenderen Homosexuellen sich relativ gut in ihren Nischen einrichten können. Für Demokratie zu kämpfen verspricht offensichtlich wenig Statusgewinn." Zu Wort kommen Menschenrechtler, Lebenskünstler, ein windiger Politiker, ein abtrünniger orthodoxer Priester, der auch für Lesben und Schwule da ist, und zufällige Passanten. Die Kamera begleitet die Protagonisten durch die Straßen von Moskau, in der Metro, bei Arbeit, Sport und Spiel, besucht sie in ihren Wohnungen, erkundet das lebhafte Nachtleben mit ihnen.
http://www.polaronline.de/druckversion.php3?id_article=1073

AOL.DE
Nov 2008

East/West - Sex & Politics

Beschreibung:
Russland gehört zu den aufstrebenden Wirtschaftsmächten unseres Jahrhunderts. Während der Kapitalismus unaufhaltsam voranschreitet, bleibt die Weiterentwicklung demokratischer Strukturen, vor allem hinsichtlich des gesellschaftlichen Umgangs mit Minderheiten, auf der Strecke. Regisseur Jochen Hick zeigt den Alltag einer kleinen Gruppe homosexueller Menschen in Moskau, die teilweise fernab des nicht immer gewaltfreien Kampfes um politische und soziale Akzeptanz originelle Überlebensstrategien gefunden haben. Mit "East/West" drehte Jochen Hick eine weitere Dokumentation über die Lebenswelten homosexueller Menschen, erstmals abseits westlicher Schauplätze wie Nordamerika oder England, zu denen jedoch immer wieder Brücken geschlagen werden. Der dabei aufgezeigte Unterschied ist enorm: Die öffentliche Anerkennung von Homosexualität geht einher mit der Durchsetzung des Demonstrationsrechts in Russland, welches für die Liberalisierung des gesamten Landes die Voraussetzung bildet. Nüchtern zeigt Hick die Beweggründe einiger Homosexueller, sich bedeckt zu halten. Ein Film über ein kleines Paralleluniversum innovativ geführter Lebensstile.

Kino.de
27.11.08 - (bf)

Putins "gelenkte Demokratie" ist vor allem gelenkt, aber nicht demokratisch. Den wahren Zustand eines Landes kann man leicht an seinem Umgang mit eigenen Minderheiten ablesen: Die schwul-lesbische Bevölkerung in Russland kämpft seit Jahren um ihr verbrieftes Recht auf Demonstration und Akzeptanz. Von Religiösen wie Rechtsnationalen schlägt ihnen nur Hass und Gewalt entgegen, was so manchen Homosexuellen zu ungewöhnlichen (Über-)Lebensstilen nötigt.

Nüchtern dokumentiert Jochen Hick nach Deutschland und den USA die Lebenswirklichkeit Homosexueller in Russland. Im autoritären Land dominiert Rohstoff-Kapitalismus grober Prägung. Für Schwule und Lesben hat man indes keine Toleranz übrig, sondern nur brutale Übergriffe.

KRITIK:

Russland gehört zu den aufstrebenden Wirtschaftsmächten unseres Jahrhunderts. Während der Kapitalismus unaufhaltsam voranschreitet, bleibt die Weiterentwicklung demokratischer Strukturen, vor allem hinsichtlich des gesellschaftlichen Umgangs mit Minderheiten, auf der Strecke. Regisseur Jochen Hick zeigt den Alltag einer kleinen Gruppe homosexueller Menschen in Moskau, die teilweise fernab des nicht immer gewaltfreien Kampfes um politische und soziale Akzeptanz originelle Überlebensstrategien gefunden haben. Mit "East/West" drehte Jochen Hick eine weitere Dokumentation über die Lebenswelten homosexueller Menschen, erstmals abseits westlicher Schauplätze wie Nordamerika oder England, zu denen jedoch immer wieder Brücken geschlagen werden.

Freiheit in Russland: Der Unterschied, der dabei deutlich wird, ist enorm: Die öffentliche Anerkennung von Homosexualität geht einher mit dem schwierigen Kampf um das Demonstrationsrecht in Russland, welches für die Liberalisierung des gesamten Landes die Voraussetzung bildet. Nüchtern zeigt Hick die Beweggründe einiger Homosexueller, sich bedeckt zu halten. Ein Film über ein kleines Paralleluniversum innovativ geführter Lebensstile.

GAB
November 2008

http://gab.epaper.publigayte.com/2008/2008-12/18-19_media_film.pdf

Deutsche Filme
Nov 2008

Deutsche Gesellschaftsdokumentation von Jochen Hick über die "gelenkte Demokratie" von Vladimir Putin, der ganz offensichtlich mehr lenkt als demokratisiert. Vor allem die homosexuelle Bevölkerung Russlands bekommt das zu spüren, kämpft sie doch seit Jahren um das Recht auf Akzeptanz. Doch die religiöse, wie auch die rechtsnationale Gemeinde in diesem großen Land schlägt mit Hass und Gewalt dagegen...
http://pikas.elitas.com/deutsche-filme.de/film.php?id=1593

Kulturküche
28.11.08


Anders gestaltet sich East West - Sex & Politics. Die vergebene Spannung im ersten Teil holt die Dokumentation von Jochen Hick im weiteren Filmverlauf nämlich wieder auf. Der Regisseur portraitiert die schwul-lesbische Szene in Russland, genauer gesagt in Moskau, die in der Gesamtbevölkerung auf Ablehnung, vor allem auf Verteufelung durch Kirche und Staat trifft. Ende Januar 2007 feixte Putin bei einer Pressekonferenz vordergründig, dass er natürlich Verständnis für die Bedürfnisse der "sexuellen Minderheiten" habe, aber er mache sich eben doch auch Sorgen um die demographische Entwicklung in seinem Land, womit er den Rückgang der Geburtszahlen meinte. Ein Spruch, den die orthodoxe Kirche und Rechte als Erklärung für ihre Schwulenfeindlichkeit übernehmen sollte. Den roten Faden im Film bildet die Vorbereitung und Durchführung der Gay Parade 2006 und 2007, die dann mit Gewalt von Gegendemonstranten und staatlichen "Ordnung"skräften teils recht brutal auseinander getrieben wurde. Parallel portraitiert Hick einige Mitglieder der internationalen schwul-lesbischen Szene, auch der Grüne Politiker Volker Beck kommt immer wieder zu Wort, nachdem er vor Ort allerdings augenscheinlich recht oberflächlich Stellung bezog. Spannender wird die innere Zerstrittenheit innerhalb der kleinen russischen Community dargestellt: so kommen viele Transen und Schwule zu Wort, die die in ihren Augen auch aufgrund von Unterstützung einer der beiden "T.A.T.U."-Möchtegernlesben aufgesetzt erscheinende Gay Parade nachdrücklich ignorieren oder gar verachten.
http://www.kulturkueche.de/november08/kinomix_november08_2.htm

MÄNNER
Dez 2008 - (ja)

Moskau vor einem Jahr am Vortag eines erneuten Versuchs einer schwul-lesbischen Demonstration. Die Stimmung ist angespannt, die Organisatoren, Sympathisanten und Beobachter aus Wesreuropa geben ihre Einschätzung der Lage. "Die Polizei ist verantwortlich für die Sicherheit der Veranstaltung" beschwört Nikolai Alekseev, Initiator der Demo. "Sie sind gut über unsere Planungen informiert." Bereits zu diesem zeitpunkt ahnt man als Zuschauer, dass es keine Parade wie in Köln, Paris oder London werden wird. Was am Ende bleibt, ist der Eindruck, dass die Sicherheitskräfte dei Demonstranten nur allzu gerne ihren gewalttätigen Gegnern überlassen.
Jochen Hick hat sich für seinen neuen Dokumentarfilm , wie schon vor zwei Jahren für "Rainbow's End" in die schwul-lesbischen Szenen begeben begebn, die nicht in hippen Club-Reports und trendy Hotel-Storys auftauchen. Er zegt sechs Männer und Frauen, die als Aktivisten, als Fotografen, Clubbesitzerinnen oder einfach als Privatmenschen, ihr scwules und lesbisches Leben zu leben. Geschichten aus dem Alltag von Hoffnung und Angst, von Motivation und Enttäuschung lassen den Zuschauer verstört und desillusioniert zurück. Moskau scheint 16 jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus weiter denn je entfernt zu sein. Zwischen Berlin und der russischen Hauptstadt liegen etwa 1.800 Kilomneter Luftlinie, zum Vergleich: Biszum Yumbo Center auf Gran Canaria ist es mehr als doppelt so weit.

Sächsische Zeitung
18.12.08 -Anreas Körner

Moskau ist nicht Sodom!

Jochen Hicks Dokumentation „East/West – Sex & Politics“ und Homosexualität in Russland.

Offiziell wird nicht mehr bestraft. Paragraf 121 der langjährigen sowjet-russischen Gesetzgebung, nach der „homosexuelle Handlungen unter Männern“ verboten waren, wurde 1993 unter Boris Jelzin abgeschafft. Lesben ihrerseits waren niemals verfolgt. Offiziell. Seit 1998 gilt Homosexualität zudem nicht mehr als psychiatrische Krankheit. Endlich Demokratie in Moskau und im großen, weiten Land? „Betroffenen“ Männern und Frauen vergeht das Lachen, hören sie Sprüche dieser Art.

Es gibt eine Szene in Jochen Hicks Dokfilm, die lässt einen zivilisierten Bürger Europas – und Russland bemüht sich sehr dazuzugehören – erschaudern. Moskaus Bürgermeister Luschkow wird auf einer Konferenz in London nach seiner Haltung Schwulen, Lesben und deren öffentlichen Aktionen gegenüber gefragt, und sagt sinngemäß, dass er sich Propaganda dieser Art nicht gefallen lasse. Man müsse sich schützen, „so wie sich andere Länder gegen Tabakwerbung schützen.“ Klaus Wowereit, für Berlin im Plenum sitzend, bleibt akkurat stumm. Wie es ausgerechnet im bekennenden Homosexuellen in diesem Moment ausgesehen hat, ist nur zu ahnen. Auch der damalige Präsident Russlands begegnet einer Journalistenfrage mit nahezu ungekünsteltem Ausweichen. Putin: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir ein riesiges demografisches Problem haben.“ Will meinen, Russland fehlen die Kinder. Und, wen haben wir denn da als vermeintliche Ursache ausgemacht?

Nur wenige Menschen in Russland trauen sich, eins und eins zusammenzuzählen. Wenn nicht einmal 100 Demons-tranten kommen, um zum jährlichen „Gay Pride“ öffentlich zu marschieren, noch dazu Aktivisten aus mehreren Ländern, dann bläst für jene Rückenwind, die von wenig beachtenswerten Minderheiten reden. Die wahren Schicksale fallen unter den Teppich. Was sich allerdings formiert, ist der öffentliche Hass, der mit Gewalt einhergeht und demgemäß beantwortet wird. Die Kamera zeigt das, die Mikrofone „hören“ hin. „Moskau ist nicht Sodom!“ schreit ein Mann aus dem Pulk der Gegendemonstranten. Die orthodoxe Kirche züngelt hübsch mit am Flämmchen, weiß Vorurteile zu schüren. Der Staat greift ein und zu. Entschlossen.

„East/West“ beobachtet und porträtiert Frauen und Männer wirklich, statt sie nur zu streifen, zeigt Zerstrittenheit und Aktionismus, Stolz und Wut, Selbstschutz und Lüge – offenbart Realitäten. Doch ein Dok-Filmer ist kein Chefankläger. Irgendwann fällt der Satz, dass Russland liberal sei. Liberaler zumindest als andere Ex-Sowjetrepubliken. Da mag man längst nicht mehr beruhigt zuhören…

„East/West – Sex & Politics“ - kino im dach, DD

hinnerk
Januar 2009 - Axel Schock

Die Meldungen und Fotos von den blutig geschlagenen Demonstranten Volker Beck und "Right said Fred"-Sänger Richard Fairbrass beim Moskauer Gay Pride sind durch die Zeitungen gegangen und auch über den aufgebrachten Mob aus Neonazis und radikalen Orthodoxen hat man gelesen. Diese bedrohliche Szenerie nun aber auf der Leinwand zu erleben – in der sich abgrundtiefer Hass gegen eine sexuelle Minderheit in unmittelbarer Gewalt Bahn bricht, die von den direkt daneben stehenden Ordnungskräften tatenlos geduldet wird – das lässt einem den Atem stocken. Filmemacher Jochen Hick (Teddy-Gewinner 2003 mit Ich kenn keinen – Allein unter Heteros) geht mit diesen Bildern erfreulicherweise sehr behutsam und alles andere als sensationsheischend um, was ihre Wirkung keineswegs schmälert. Er bleibt in erster Linie nüchterner Dokumentarist, der das Geschehen in einen größeren Zusammenhang einbindet.
Zwei Jahre lang hat Hick die Vorbereitungen zu den immer wieder verbotenen Schwulen- und Lesbenparaden in Moskau mit der Kamera intensiv beobachtet. Lediglich ein Häuflein Mutiger wagt diesen Kampf um elementare Menschenrechte – die anderen, das ist die bittere Erkenntnis, sitzen derweil lieber zum Bräunen am Strand der Moskwa oder amüsieren sich in den Discos.
"Es ist üblich in unserem Land alles undercover zu tun", sagt der Herausgeber der einzigen schwulen Zeitschrift Russlands. Warum also die Menschen im Lande mit Demonstrationen provozieren? Man hat sich mit dem Leben im Verborgenen arrangiert. Und auch solche Arrangements zeigt Jochen Hick mit dem gleichen feinfühligen wie kritisch-distanzierten Blick. Schwule Überlebensstrategien, bei denen die Hoffnung auf einen Demokratisierungsprozess längst aufgegeben ist.
East/West – Sex & Politics ist gerade für Zuschauer aus dem liberal-aufgeklärten Westen ein verstörend-beängstigendes Lehrstück. Darüber zum Beispiel, wie schnell Stammtischparolen in die Tat umgesetzt werden können, sobald Kirche und Staat sie offenherzig unterstützen. Und darüber, wie viel Russland durch Öl- und Gas-Milliarden bereits vom Kapitalismus, wie wenig aber über Demokratie gelernt hat.
AS


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