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zum Film.
Nachfolgend Presse-Kritiken (ab Kinostart
25.12.2003, d.h. ohne Festivalpresse - und noch nicht vollständig)
im Original-Wortlaut. Eventuell angegebene Links zu den Originalveröffentlichungen
am Ende einiger Zitate ("Gesamter Artikel") galten
zum jeweiligen Erscheinungsdatum und können z.T. mittlerweile
ausser Betrieb sein. Wir bitten um Verständnis.
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anlässlich der Festivalaufführungen ab Berlinale 2003
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SIEGESSÄULE
Frank Noack, Dezember 2003 |
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Klischeevorstellungen über schwules Leben werden nicht nur von
Heteros verbreitet. Immer wieder malen schwule Autoren und Filmemacher
ein düsteres Bild vom Leben in der Provinz, wo einen entweder
die Langeweile oder ein homophober Lynchmob umbringt. Jochen Hick
misstraut dieser lieb gewordenen Vorstellung. Er ist in die Provinz
gefahren, um Schwule zu porträtieren, die gern dort leben. Resultat:
Man begegnet dort nicht mehr Vorurteilen als in der Großstadt.
Das Hauptproblem in diesem Umfeld ist nicht die Intoleranz der heterosexuellen
Mehrheit, sondern das Fehlen einer Subkultur, in der man Gleichgesinnte
treffen kann. Einer der Porträtierten fährt gelegentlich
nach Berlin, um sich sexuell auszutoben und sich in einem Military-Shop
einzukleiden. Die Frage, ob er mal beim Bund gewesen sei, verneint
er, schließlich sei er überzeugter Antimilitarist. Das
ist einer von vielen Anlässen zum Schmunzeln und Kopfschütteln.
Aber Hicks Haltung ist nicht die des arroganten Großstädters.
Er begegnet seinen Gesprächspartnern mit Respekt und lässt
ihnen viel Raum zur Selbstdarstellung. Entsprechend locker bewegen
sich die Männer vor der Kamera. Am Ende hat man eine ganz neue
Auffassung von dem Begriff „selbstbewusst schwul“, mit
dem sich Großstädter bezeichnen, die sich für mutig
halten, weil sie zu Tausenden auf die Straße gehen und demonstrieren.
Aber ist es nicht viel mutiger, wenn man als einziger Schwuler vor
Ort zu seiner Sexualität steht? Der Titel „Allein unter
Heteros“ beschreibt keine Notsituation, sondern frei gewähltes
Einzelgängertum.
TIP
Berlin Magazin
18.12.2003, Marcus Weingärtner |
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Wer bislang glaubte, die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten
hätte in ganz Deutschland Einzug gehalten, den wird Jochen
Hicks "Ich kenn keinen - Allein unter Heteros" mehr als
erstaunen. Hick portraitiert schwules Leben in der schwäbischen
Provinz und begleitet die Männer bei ihrem Alltag auf dem Dorf
und ihren erotischen Fluchtreisen nach Thailand, Zürich und
Berlin. Bestürzend ist dabei weniger die Tatsache, dass die
Portraitierten ihren Exotenstatus gottergeben hinnehmen, als vielmehr
der Umstand, dass Homosexualität auf dem Lande immer noch ein
Fremdwort zu sein scheint. Otto Normalschwabe vermutet das schlimme
H-Wort irgendwo zwischen behandelbar, sündhaft und pathologisch.
Überraschenderweise werden in Hicks Doumentation weder der
Homo- noch der Hetero-Seite eindeutige Positionen zugeschanzt, was
die Spießigkeit der einzelnen Lebensentwürfe anbelangt.
So lebt letztendlich der Schwule auf dem Land ein braves Leben zwischen
Kaffeetafel, Kirchgang und Kehrwoche. Gemeinsam mit seinem heterosexuellen
Umfeld kommt er über seine Neigung zu Erkenntnissen, die zwischen
amüsant und furchterregend changieren.
ZITTY
Berlin: "Sehr sehenswert!"
25.12.2003, Hans-Hermann Kotte |
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Schwule gelten als Trendsetter udn Lifestyle-Scouts. Ihr Leben
muss eine Mischung aus Dauerurlaub, Shopping-Tour und Gourmet-Events
sein. Das ist zwar Quatsch, aber so will es der Medienhype. Dabei
droht in Vergessenheit zu geraten, wie homofeindlich die Gesellschaft
immer noch ist und dass Schwule nicht nur in Metropolen wohnen.
Solche Lebenswelten hat Jochen Hick für seinen Dokumentarfilm
aufgesucht.
Es geht tief ins Schwabenland. Dorthin, wo beim CHristopher-Street-Day
noch Gegendemonstrationen auftauchen ("Jesus liebt Dich, kehr'
um!"). Hick lässt Schwule aller Altersgruppen von ihrem
Kampfum Anerkennung berichten und hat sich umgehört an Stammtischen,
bei Kirchenchören, an Kaffeetafeln. Da sagt man zum Analverkehr
"finaler Schuss". Und Männer die Parfum benutzen
sind "stinkende Eichhörnchen". Mütter erzählen
von der Verzweiflung, die sie erfasste, als der Sohn ihnen sagte
dass er schwul ist: "Ich dachte, ich muss ihn erschlagen und
zerhacken." Damit die Zuschauer nicht in Depression versinken
hat Hick auch komische Momente eingebaut. Etwa wenn Uwe, der Uniform-Liebhaber,
einen Ausflug nach Berlin unternimmt. Der Mann, der ihm ein Paar
Knobelbecher verkauft, kann nicht glauben, dass Uwe Blümchensex
mag und nicht auf die Harte Welle steht. Der Film wurde bei der
Berlinale 2003 mit dem Teddy-Award prämiert. Sehr Sehenswert.
INTERVIEW
SIEGESSÄULE
Diana T. Schöppe, Dezember 2003 |
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>Deine früheren Filme spielen in amerikanischen Großstädten.
Was hat dich am Thema Schwule in deutscher Provinz gereizt?
In Deutschland
sind die Schwulen ja recht stolz auf Homoehe, CSDs und Wowereit,
doch inwieweit sind diese Entwicklungen eigentlich auch auf dem
Lande angekommen? Ich wollte an Orte gehen, wo schwules Leben darin
besteht, allein unter Heteros eine eigene Identität zu finden.
>Gibt es irgendetwas Positives aus Schwaben und dem Schwarzwald
zu berichten?
Der Film will ja weder bewerten noch eine soziologisch
repräsentative Bestandsaufnahme sein. Das Positive sind für
mich schon die Protagonisten und ihre Widerstandskraft inmitten
ihrer oft ignoranten Umgebung. Aber Schwaben und der deutsche Südwesten
haben sicherlich auch eine große Tradition an Liberalität
und Freidenkertum.
>Du zeigst die Männer überwiegend in ihrer Heteroumgebung.
Wie sieht das Leben in der Szene, in der „Sub“ aus?
Die
„Sub“ auf dem Lande ist ja eher klein und bescheiden,
und viele fahren am Wochenende genau deshalb weit weg, weil sie
nicht gern erkannt werden wollen. Wer Kontakt und Netzwerk sucht,
hat sicherlich einige Möglichkeiten, aber in vieler Hinsicht
empfand ich schwules Leben auf dem Lande oft sogar noch isolierter
und vereinsamter, als man es in großen Städten vermuten
möchte.
>Auf der Berlinale hast du den TEDDY für den besten
Dokumentarfilm erhalten. Was bedeutet dir die Auszeichnung?
Der Preis hat alle am Film Beteiligten sehr gefreut, auch weil er
von einer überwiegend fremdsprachigen Jury vergeben wird. Dies
hat mir gezeigt, dass man mit einem sehr deutschen einschlägigen
Thema durchaus internationales Interesse wecken kann.
DER TAGESSPIEGEL
Jan Schulz-Ojala, 24.12.2003 |
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Jochen Hicks sensibler Dokumentarfilm über schwules Leben
in der Provinz.
(...) Hartmut ist stolz. "Ich will nicht verstanden werden,
mir reicht's, wenn ich toleriert werde", sagt der HIV-positive
Endfünfziger, wenn die Heteros mal wieder angestrengt in Mitgefühl
machen. Jahrzehntelang hat er am Stammtisch daheim in Albstadt über
Schwulenwitze mitgelacht und sogar selbst welche erzählt, und
sich dann doch geoutet, mit 51 - zu spät, wie er heute findet.
Und wenn es ihm zu eng wird zuhause? Dann lebt er sich in Thailand
aus, bei den zarthäutig-schmusigen Thai-Jungs, die sogar küssen,
"das gibts hier doch gar nicht bei bezahltem Sex".
Stefan ist melancholisch. Lebt mit 26 bei Mama im 700-Seelen-Dorf
Michelwinnaden und hält sich für den "einzigen Schulen
im Ort". Forstwirt ist er, und nachdem er sich geoutet hatte,
wollten zwei Kollegen nicht mehr mit ihm "zsamme schaffe",
aber das hat er mit seinem leisen Lächeln auch noch überstanden.
Und wenn die Mama über das Schulsein ihres Sohns breit dahersagt,
"bei ihm hätte ich's nie vermutet, weil er so'n fröhlicher
Typ war", fsnn bleibt ja immer noch das Auto, 150 Kilometer
nach Stuttgart, 150 nach München. "Ich wohn' zentral."
Uwe ist fröhlich. Am liebsten trägt er, der nie beim Bund
war, Militärklamotten, und damit geht's am Wochenende 30 Kilometer
nach Villingen-Schwenningen, in den "Hölzlekönig".
Oder wenn er mal weiter weg muss von Mama und ihren vielen Sofa-Teddybären,
dann fährt Uwe nach Berlin. Da kann es dem in schönstem
Alemannisch daherschwätzenden technischen zeichner schon mal
passieren, daß er überüunktlich im Darkroom eintrifft.
Der Typ hinterm Tresen: "Da biste 'ne Stunde zu früh.
Hier geht das erst um halb eins los."
Abgewürgtes Leben, dieses Schwulsein in der Provinz. "Ich
kenn' keinen" - so reden die Leute, wenn sie nach Kontakten
zu Schwulen gefragt werden, und os hat Jochen Hick auch seinen offenen,
diskreten, informativen und zart investigativen Dokumentarfilm genannt.
Hat sich umgehört an Stammtischen und in Kirchenkreisen, hat
sich umgehört zwischen Tabu und tabu, vom gediegenen Wohnzimmer-Interieur
zum vorsichtig-schrillen CDS-Umzugsversuch etwa in Ravensburg, wo
Fundamentalchristen eifrig ihre Transparente zur Gegen-Demo hochhalten:
"Jesus liebt dich, kehr' um!"
Dramatisch ist der Film und erschütternd in der undramatischen,
unerschütterlichen Art, mit der die Schwulen in ihrer überwiegend
stumpfen Umgebung zurecht kommen gelernt haben, ob ganz jung oder
Ende siebzig. Die meisten sind bescheiden, fordern allenfalls ein
bisschen Nachsicht. Und wünschen sich, dass die Eltern wenigstens
nicht in Tränen ausbrechen beim unvermeidlichen Outing eines
schrecklichen Kaffenachmittags. Wenn Mutter weint, das ginge noch.
Aber die Väter, diese sonst niemals weinenden Väter.
http://archiv.tagesspiegel.de
DU &
ICH (Links zu zwei ausführlichen
Artikeln)
November 2003 und Januar 2004 |
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In der Zeitschrift DU&ICH sind zwei ausführliche Artikel
über den Film erschienen. Der erste
Teil im Novemberheft (im Download s.u.) stehen vor allem die
Protagonisten Uwe, Stefan sowie Dominik im Vordergrund. Der zweite
Teil im Januarheft (demnächst online) beschäftigt sich
mit den Dreharbeiten und portraitiert Erika, Richard und Hartmut.
Vollständiger Artikel Novemberheft: http://www.salzgeber.de/presse/kritiken/heteros_duundich.pdf
(DL)
Nur Anfang Artikel Novemberheft: http://www.du-und-ich.net/11_03/allein_heteros.html
Vollständiger Artikel Januarheft: http://www.salzgeber.de/presse/kritiken/heteros_duundich_02.pdf
und alternativ im Download: PDF File (Download 4,04 MB)
Nur Anfang Artikel Januarheft: http://www.du-und-ich.net/01_04/ich_kenn_keinen.html
Website von DU&ICH: http://www.du-und-ich.net
TICKET BERLIN
Sven Lorenzson, 24.12.2003 |
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Im Land der Kehrwoche - Homodoku mit Realsatire
Also schwul könnte er ja sein, das dann aber auch noch zu
sagen, als Regierender Bürgermeister - unmöglich! So ereifert
sich eine Dame im Wirtshaus - die sich zugleich an der offenen Homosexualität
und gar HIV-Infektion eines ihrer Stammtischmitglieder nicht zu
stoßen scheint. Dieser Widerspruch ist typisch für das,
was Jochen Hick in seinem neuen Film zeigt. Dafür hat er sich
in Gefilde begeben, in denen manch Großstadtbewohner die schiere
Homohölle vermutet: die schwäbische Provinz. Im Mittelpunkt
seiner Expedition ins Land der Kehrwoche stehen vier Schwule zwischen
26 und 78, ihre Erfahrungen, ihr Selbstverständnis, vor allem
aber ihr Alltag und Umfeld: Leben bei Mutti, Aufklärungsarbeit
in der Kirche, Animositäten mit Arbeitskollegen, Christopher
Street Day in Ravensburg (wo eine solche Parade noch mutig ist),
Ausflüge nach Berlin oder Thailand, und vor allem brave Bürger,
die behaupten, keinen Schwulen zu kennen.
Hick hätte noch mehr und genauer nachfragen sollen, doch seine
Dokumentation ist ohnehin etwas zu lang geraten. Aber sie zeigt
nicht nur, wie viel "auf dem Land" noch im Argen liegt,
sondern fängt auch reichlich Realsatire ein, etwa einen antimilitaristischen
Verkäufer von Militärkleidung oder eine Mutter, die über
schwulen Sex sinniert: "Sie können ja im Grunde nicht
anders, wenn sie den Geschlechtsverkehr vollziehen wollen - weil
von vorne geht's ja nicht."
BERLINER ZEITUNG
Andreas Krause, 27.12.2003 |
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"...ein Film, der die verborgenen Vorbehalte und Abneigungen
von Menschen freilegt, die gewöhnlich die Form wahren. (...)"
http://www.berliner-zeitung.de
DIE TAGESZEITUNG
Manfred Hermes, 30.12.2003 |
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Begehren der Kleinbürger
Coming-out der daheim Gebliebenen: In seinem Film "Ich kenn
keinen - allein unter Heteros" porträtiert Jochen Hick
homosexuelle Biografien in der Provinz. Eine recht launige Art der
Soziologie
Kaum hat man sich zur eigenen Homosexualität bekannt, zieht
es einen auch schon von der Peripherie ins Zentrum, in die Schwulenszenen,
schwulen Lebenswelten oder sogar die Schwulenhauptstädte. Es
gibt aber auch Menschen, die da bleiben, wo sie sind, unter Freunden,
Verwandten und im elterlichen Nest. Für seinen Film "Ich
kenn keinen - allein unter Heteros" hat Jochen Hick eine Reihe
solcher Daheim-Gebliebenen-Biografien zu einem Blick in die nicht
sehr bekannte Welt einer provinziellen Homosexualität zusammengefasst.
Hartmut hat ein Leben lang den Hetero gespielt, aber eine HIV-Infektion
hat ihn zu einem doppelt mutigen Coming-out veranlasst. Stefan arbeitet
als Förster und seine angenehm entspannte und etwas bräsige
Art hat er anscheinend von seiner Mutter, die nicht nur aussieht
wie Helen Vita, sondern auch deren bodenständige Wachheit hat.
Uwe lebt bei seiner Mutter, unterbricht das wohlige Zwangsverhältnis
aber immer wieder durch gelegentliche Tripps zu den Honigtöpfen
des Landes, um dann genauso gern in die Heimat zurückzukehren.
Das war auch vor einem halben Jahrhundert nicht anders. In der Schweiz
wurde Homosexualität im Jahre 1942 entkriminalisiert. Die Schwulenorganisation
"Der Kreis" veranstaltete regelmäßig Partys
in Zürich. Richard und Eduard hatten es aus Schwaben nicht
weit. Jochen Hick begleitet die beiden älteren Herren auf einer
Ortsbesichtigung in Zürich, und so erfährt man einiges
über die Organisation des homosexuellen Begehrens in den Vierziger-
und Fünfzigerjahren. Hick besucht Eduard aber auch in seiner
präsentablen Wohnung, wo ihm schöne Antiquitäten
und eine Buchrückenattrappe gezeigt werden, die als Versteck
für den Fernseher dient. (...)
Website der Zeitung: http://www.taz.de
www.taz.de/pt/2003/12/30/a0178.nf/text
OUR MUNICH
Michael Prenner, Januar 2004 |
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Auf dem Land, da gibt’s koa Sünd
Oder doch? Schwule auf dem Land leben ganz anders als Großstadt-Homos.
Wie Uwe, Stefan, Richard und Hartmut zwischen Fußballclub,
Kegelbahn und Stammtisch bestehen, davon erzählt Jochen Hicks
neuer Film „Ich kenn keinen – Allein unter Heteros“. San
Francisco, Amsterdam, Berlin, Rio de Janeiro: Wenn’s darum
geht, seinesgleichen zu treffen, ist dem Schwulen von Welt keine
Homohochburg zu weit. Aber schon mal von Onstmettingen, Michelwinnaden
oder gar Albstadt gehört? Orte, die weder im Spartacus noch
im Katalog von Gay Travel stehen. Doch selbst hier – in den
hintersten Winkeln des Schwabenländles - leben Schwule, wenn
auch sehr vereinzelt. Jochen Hick hat sie gefunden – und ihnen
in seiner Doku „Ich kenn keinen – Allein unter Heteros“
ein Denkmal gesetzt. Ein unterhaltsames, erschütterndes und
oft auch komisches Portrait teils recht skurriler Charaktere –
inklusive der naiven Statements unwissender Heten. Das Werk hat
bereits einen Teddy Award kassiert – und läuft, obwohl
es Dokus erfahrungsgemäß in Deutschlands Kinos schwer
haben – voraussichtlich im Januar in München an. OurMunich
traf den Regisseur Jochen Hick, der ein so ganz anderes Landhomo-Bild
beschreibt, als viele es gerne sehen würden.
OM: Deine Protagonisten sind ziemlich kuriose Typen. Uwe z.
B. wohnt mit fast 40 noch bei seiner Mutter. Wie findet man solche
Leute?
JH: Da es im Schwabenland kaum Kneipen gibt, ist das nicht so leicht.
Wir haben auf der Suche fast 20.000 km hinter uns gebracht. Aber
hier und da existieren Grüppchen – z. B. die den CSD
in Oberschwaben veranstalten. Oder solche wie „Das Kuckucksei“,
die sich in wechselnden Lokalen treffen. Ansonsten ist es halt so,
dass man jemanden fragt, der jemanden kennt – und der kennt
dann wieder einen.
OM: Und wie bewegt man die Menschen dazu, bei so einem Projekt
mitzumachen?
JH: Das war relativ schwierig. Hartmut war am einfachsten zu überreden,
während Uwe sehr schüchtern war, trotz seiner entwaffnenden
Offenheit. Am allerschwierigsten aber war es, die Freunde und Bekannten
der Protagonisten vor die Kamera zu locken. Schließlich ging
es nicht darum, ein paar Schwule im stillen Kämmerlein zu zeigen.
Dieser Film funktioniert ja nur durch die Reibung der Homos mit
den Heteros. Die, die sofort kreischen „Ich will in den Film“
sind allerdings die Falschen. Wir wollten ja Leute, die so’n
bisschen was Eigenes und auch was Schräges haben. Nicht solche,
die unbedingt Identifikationspersonen darstellen.
OM: Brauchen Schwule die Identifikationsrolle im Film?
JH: Ja, das ist so ein Problem. Minderheiten sind immer auf ihre
Darstellung bedacht. Ich zeige aber nicht das Idealbild des aufgeklärten
Großstadtschwulen. Zu denen, die das brauchen sag ich, „Macht
doch selber Filme!“ Nur weil ich einen Film über eine
Transe sehe, will ich ja nicht selbst eine sein.
Berlin? Wo liegt das?
OM: Man könnte dir den Vorwurf machen, dass du
den Großstadtschwulen einen voyeuristischen Blick auf schwule
Landeier bietest ...
JH: Nein. Wie die sich darstellen und durchs Leben gehen - das ist
viel mutiger als bei vielen Stadtschwulen. Die sind irre bescheiden,
fordern nichts von ihrer Umgebung. Dazu kommt, dass es in Berlin,
wo ich lebe, viel mehr Landschwule gibt als anderswo. Die Leute
kommen zu 70-80% aus den kleinsten Käffern Deutschlands. Berlin
ist die größte Schwäbische Stadt außerhalb
von Baden-Württemberg.
OM: Man fragt sich natürlich, warum deine Darsteller eigentlich
noch dort auf dem Land leben.
JH: Na ja, zum einen sind die nicht wahnsinnig ambitioniert im Beruf
– zum anderen haben sie einen großen Familienzusammenhalt.
Im Dorf zieht man ja nicht einfach so innerhalb des Ortes bei Muttern
aus. Man zieht richtig weg - oder gar nicht. Bei Uwe war das einfach
eine berufliche Sache. Oder Stefan: Der war Förster. Hartmut
hat schon ein paar mal den Absprung versucht. Aber letztendlich
hat er gemerkt, dass er als Sohn einer reichen Fabrikantenfamilie
in seinem Heimatort den höchsten Respekt genießt. Und
das trotz Outing als schwuler HIV-Positiver.
Homos? Was ist das?
OM: Stammst Du selbst aus dem Schwabenland – oder wieso
verschlug es deinen Film ausgerechnet in diese Region?
JH: Ich bin in Stuttgart zur Schule gegangen. Ich fand die Gegend
interessant. Dazu kommt, dass viele Gebiete so abgelegen sind –
da findet man jede Menge Menschen, die ernsthaft behaupten, dass
sie noch nie einen Homosexuellen gesehen, geschweige denn kennen
gelernt hätten. Zum Beispiel der Pfarrer von Hartmut –
der ist 50, hat in Tübingen studiert und sagt, dass Hartmut
der erste Schwule ist, den er jemals getroffen hat. Das spricht
weder für die Kirche noch für seine Position als Seelsorger.
OM: „Sex / Life in L.A.“ und „Ich kenn keinen“
– das sind zwei Dokus von dir über schwule Minderheiten
innerhalb der schwulen Minderheit. Die erste über Pornostars,
die zweite über Landbewohner. Wie geht’s weiter? Vielleicht
mit schwulen Bauarbeitern?
JH: Politiker wäre gut. Nee, im Moment produziere ich den zweiten
Teil von „Sex / Life in L.A.“ – um zu zeigen,
was sechs Jahre später aus den Darstellern geworden ist. Ich
würde gerne mehr in Deutschland machen. Leider geht das nicht
ohne Beteilung des Fernsehens.
OM: Dann wünsche ich dir zunächst einen erfolgreichen
Kinostart für „Ich kenn keinen“.
Gesamter Artikel als JPG-File zum
Download!
Gesamtes Januarheft: http://www.ourmunich.de/om/pdf/mag/ourmunich0104.pdf
MÄNNER AKTUELL
Jürgen Bienik, Udo Badelt - Januar 2004 |
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Artikel als JPEG Datei (620 kB)
Interview als JPEG Datei
(573 kB)
MORGENPOST BERLIN
Axel Schock - 24.12.2003 |
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Schwule in der Provinz
Preisgekrönte Doku: "Ich kenn keinen - Allein unter Heteros"
Einen offen schwulen Bürgermeister haben zwar die wenigsten
Metropolen aufzubieten, aber das friedliche Neben- und Miteinander
von Homos und Heteros dürfte mittlerweile in Hamburg ähnlich
sein wie in Berlin oder Köln. Doch die scheinbare gesellschaftliche
Toleranz täuscht. Nicht überall feiern Hunderttausende
den Christopher-Street-Day, finden Schwule eine Infrastruktur aus
Kneipen, Vereinen und Selbsthilfegruppen. Was, wenn man als schwuler
Mann in Schwaben "Allein unter Heteros" lebt?
Jochen Hick gelingt in seinem klassisch gebauten, pointiert geschnitten
und überaus unterhaltsamen Film, auf der diesjährigen
Berlinale mit dem Teddy als bester schwul-lesbischer Dokumentarfilm
ausgezeichnet, ein auf den ersten Blick sehr komisches Werk. Zeigt
hübschen Nippes im Kleinbürger-Idyll, schlägt aus
dem ersten Besuch eines Schwarzwälders in einem Berliner Military-Shop
beinahe groteske Szenen. Auch die Gespräche mit den Mitmenschen
im Kirchenchor oder am Stammtisch erscheinen zunächst wie perfekte
Satire. Unverblümt werden Ressentiments ausgeplaudert, offenbaren
sich Unsicherheiten im Umgang mit Schwulen und Lesben.
Doch mehr und mehr wird die Kluft deutlich zwischen jenen, die es
auf dem Dorf zwischen Duldung und Anfeindung aushalten, und jenen
in der Ghetto-Idylle lebenden Großstadtschwulen. Und so offenbart
sich auch, wie vage die Toleranz der Gesellschaft ist und wie viel
Kraft und Mut es erfordert, sich fern der Großstadt auf ein
Leben in ständiger Verleugnung oder einen immer währenden
Spießrutenlauf einzulassen.
Gesamter Artikel: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2003/031224/film/story649494.html
HINNERK HAMBURG
Axel Schock - Februar 2004 |
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Schwules Leben zwischen Kehrwoche und Spätzle - Jochen
Hick's kleines Meisterwerk "Ich kenn keinen - Allein unter
Heteros"
Einen offen schwulen Bürgermeister haben zwar die wenigsten
Metropolen aufzubieten, aber das friedliche Nebeneinander von Hetero-
und Homosexuellen dürfte mittlerweile in Hamburg ähnlich sein wie
in Berlin oder Köln. Doch all die scheinbare allgemeine Toleranz
täuscht. Nicht überall feiern Hunderttausende gemeinsam den Christopher
Street Day, finden Schwule eine Infrastruktur aus Kneipen, Vereinen
oder Selbsthilfegruppen. Was, wenn man „Allein unter Heteros“ lebt?
Der Filmemacher Jochen Hick hat mit Dokumentarfilmen wie „Sex/Life
in L.A.“ bisher einen ethnographischen Blick in obskure, spannende,
ungewöhnliche Lebensweisen fern in den USA geworfen. Mit seinem
neuen Film hingegen dringt er in ganz andere, für viele vielleicht
noch fremdere Lebenswelten vor: ins Schwabenland. In seinem bei
der Berlinale 2003 zu Recht als bester schwul-lesbischer Dokumentarfilm
mit dem Teddy ausgezeichneten Film, der jetzt endlich in die Kinos
kommt, portraitiert er Schwule auf dem Lande. Solche, die den Absprung
nicht geschafft, es sich zuhause bei Mutter eingerichtet haben und
nicht, wie Tausende andere von ihnen, in die Großstadt abgewandert
sind. Manch einer von ihnen will auch gar nicht weg. Hängt an der
Heimat, will das Leben in der Provinz auch gar nicht aufgeben. Der
Endfünfziger Hartmut aus Albstadt, der lange seine Sexualität auf
die Urlaube in Thailand beschränkte und sich erst nach einer HIV-Infektion
in der Heimt offen zu seinem Schwulsein bekannte. Oder der 26-jährige
Forstwirt Stefan aus dem 700-Seelendorf Michelwinnaden, 150 Kilometer
bis zur nächsten Schwulenkneipe in Stuttgart, 150 Kilometer bis
München: „Ich wohn zentral.“ Jochen Hick gelingt mit seinem klassisch
gebauten, abr pointiert geschnittenen und zudem überaus unterhaltsamen
Werk ein auf den ersten Blick sehr komischer Film. Gerne mal zeigt
die Kamera hübschen Nippes im kleinbürgerlichen Idyll, schlägt aus
dem ersten Besuch des 37-jährigen Schwarzwald-Jungen Uwe in Berlin
in einem Military-Shop beinah schon groteske Szenen. Aber er führt
seine Protagonisten niemals vor, weder die heterosexuellen Bewohner
gediegener Wohnzimmerensembles, schon gar nicht die schwulen Protagonisten
(in zum Teil nicht weniger solide, gutbürgerlichen Wohnumfeld).
Denn deren Leben, entweder die schwule Identität zu verleugnen oder
sich auf einen immer währenden Spießrutenlauf und permanenten Kampf
einzulassen – erfordert Mut und Kraft. AuchGespräche mit den Mitmenschen
im Kirchenchor oder am Stammtisch erschienen zunächst wie perfekte
Satire. Unverblümt werden Ressentiments ausgeplaudert, offenbaren
sich Unsicherheiten im Umgang mit Homosexuellen, denen man – natürlich
– ohnehin noch nie begegnet ist. So wird die Kluft immer deutlicher
zwischen jenen Schwulen, die es auf dem Dorf zwischen Anfeindung
und Geduldetsein auszuhalten, und den in der Ghettoidylle lebenden
Großstadthomos. Schon aus diesem Grunde wünscht man diesem Film
so viele Zuschauer wie möglich – schwule wie nicht schwule.
Gesamter Artikel und Interview als JPG-File
Link Hinnerk Hamburg http://www.hinnerk.de
epd FILM
Raimund Gerz, März 2004 |
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Gesamter Artikel als JPG-File!
LIFT STUTTGART
März 2004 |
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Gesamter Artikel als JPG-File!
SZENE Hamburg
Christoph Dompke - März 2004 |
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Famoses Sittenbild mit loriotschen Qualitäten
Etwas 5-10 Prozent der Bevölkerung sollen demographischen
Erhebungen zufolge homosexuell sein – offenbar nicht in der
schwäbischen Provinz. Dorthin hat sich Jochen Hick begeben
und hier Schwule und Heterosexuelle aus deren Umfeld interviewt.
Sein Film rückt die Sichtweise großstädtischer Schwuler
zurecht, die homosexuelle Emanzipation sei erfolgreich abgeschlossen,
weil Jacobs Kaffee inzwischen auf dem Christopher Street Day wirbt.
Der Schwabe an sich kennt Schwule offenbar nur vom Hörensagen
und wenn er ins Reden kommt, wird er empfindsame Zeitgenossen grausen
„Die Arschfickerei“ scheint nach wie vor ein Faszinosum
zu sein, dass Christen Schwule als „schmutzig, wüst und
sündig“ bezeichnen, nimmt man zur Kenntnis, und dass
eine alte Frau über einen Schwulenim Dritten Reich erzählt:
„Der is’ geholt worden und is’ nie mehr wiedergekommen“,
zeigt einmal mehr, wie viel man damals wissen konnte, wenn man wollte.
Eine mittelalterliche Dame, die von Tunten geschockt ist, dass sie
immer wieder kreischt: „Die guten Homosexuellen, die sieht
man gar nicht mehr“, tut einem fast Leid. In diesen Moment
erreicht der Film Loriot’sche Qualitäten. Doch erschütternd
ist das unter der Oberfläche des arrangierten Lebens zum Vorschein
kommende Selbstverständnis der Schwulen: Wenn ein junger Schwuler
vom bevorstehenden Coming-out-Gespräch mit seinen Eltern spricht
und sagt, sein Freund trete doch sehr gut auf, die Eltern könnten
gleich erkennen, „ dass er nicht so ein Kinderschänder
ist“ – da kann man nur weinen, weil es offensichtlich
zwischen „sehr gut aufgetreten“ (sprich: unauffällig
sein) und „Kinderschändern“ immer noch kein Sozialisationsmodell
gibt.
Jochen Hick ist seinen Interviewpartnern sehr nahe gekommen, und
so ist „Ich kenn’ keinen“ ein aufrichtiger Film
voller intimer Momente geworden. Der Dialekt wird bei Nichtschwaben
für Erheiterung sorgen (wenn etwa ein Militärfetischist
über SM und das 'Fessle' an sich spricht). Das Fazit des famosen
Sittenbildes ist düster: „Eine Chancengleichheit gibt
es nicht, die Homosexuellen müssen auch heute noch so viel
Anpassungs- oder Abgrenzungsleistung erbringen, dass eine unbeschwerte
Entwicklung nicht möglich scheint.“ Auch außerhalb
des Schwäbischen.
Bayrischer Rundfunk -
online
11.3.04 - Kirsten Liese |
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Jochen Hicks dokumentiert das schwere Los von vier homosexuellen
Männern im konservativen Schwabenländle - allein(gelassen)
unter Heteros.
Im Schwabenland sind vermeintlich alle "normal", also
heterosexuell. Das ist zumindest die Meinung am Stammtisch. Niemand
will einen Schwulen persönlich kennen, obwohl sich doch der
Hartmut bei ihnen geoutet hat. Aber der Hartmut zählt nicht.
Der ist ja doch ein "netter Kerl" und sagt das vielleicht
nur so. Was der liebe Gott nicht gewollt hat, das gibt's eben auch
nicht. In der süddeutschen Provinz scheint die Zeit irgendwie
stehen geblieben zu sein. Dort kann man gar nicht fassen, dass sich
der Berliner Bürgermeister offen zu seiner Homosexualität
bekannt hat, geschweige denn, dass Schwule und Lesben mittlerweile
eheähnliche Gemeinschaften eingehen dürfen. Dort ist man
allen Ernstes noch der Meinung, gleichgeschlechtliche Liebe sei
pervers, sündhaft und pathologisch. Jochen Hicks, 1960 in Darmstadt
geboren, der bisher vor allem in den USA drehte ("No One Sleeps",
"Menmaniacs", "Sex/Life in L.A."), porträtiert
in seiner jüngsten Dokumentation vier schwule Männer,
die trotz mittelalterlicher Vorurteile den Absprung aus der Kleinstadt
nicht geschafft haben. Er begleitet sie bei ihrem Alltag zwischen
Kirche und Kneipe und auf ihren Fluchtreisen in die große
Welt, wo sie gesellschaftlich akzeptiert werden. Erstaunlich, wie
offen und bereitwillig die Protagonisten Einblick in ihr Leben gewähren:
Hartmut (57) hat Aids und kompensiert seine Einsamkeit mit sexuellen
Abenteuern in Thailand. Uwe lebt mit seiner betagten Mutter im Schwarzwald
und ergründet in Berlin seine Vorliebe für Militäranzüge.
Stefan (26), ein junger Forstwirt, nimmt es hin, dass seine Kollegen
ihn sticheln und hisst stolz die Regenbogenfahne. Richard (79),
der während der Nachkriegsjahre oft ins liberale Zürich
gereist ist, führt nach wie vor ein diskretes Leben. Sie alle
sind Außenseiter, leben im Verborgenen, "allein unter
Heteros".
Offen bleiben Fragen, was die Männer in der gottgläubigen,
kleinbürgerlichen Provinz hält, in der jeder Konventionsbruch
registriert und geahndet wird, Mütter sich schämen, wenn
ihr Sohn kein Mädel nach Hause bringt und als Stammtischwitze
getarnte Nazisprüche die Runde machen. Auf latente Weise ist
"Ich kenn keinen - Allein unter Heteros" ein politischer
Film, der auf bestürzende Weise bewusst macht, dass trotz vermeintlich
sexueller Liberalität im 21. Jahrhundert noch viel Aufklärung
nötig ist, um einer Diskriminierung Homosexueller entgegenzuwirken.
Anklagend ist die Dokumentation jedoch nicht. Hicks wertet nicht,
sondern zeigt. Das reicht völlig aus. Mitunter erheitert der
Film sogar dank brillanter Situationskomik, wenn einem auch das
Lachen im Halse stecken bleibt.
Gesamter Artikel unter: http://www.br-online.de/kultur-szene/film/kino/0402/02503/druckversion.shtml
Katholischer Filmdienst
März 2004 - Stefan Volk |
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Kennen Sie einen Schwulen? Mit dieser Frage im Gepäck reist
Filmemacher Jochen Hick ins ländliche Schwaben. Glaubt man
den abweisenden Antworten, die er erhält, scheint es dort so
gut wie keine Homosexuellen zu geben. In seiner Dokumentation hat
er dennoch ein paar gefunden: Vier Männer unterschiedlicher
Generationen begleitet er in ihrem von Vorurteilen und Ausgrenzungen
bestimmten Alltag sowie bei ihren gelegentlichen Fluchten aus dessen
sozialer Enge. Da ist Hartmut, Mitte 50. Jahrzehntelang erzählte
er am Stammtisch von seinen amourösen Abenteuern im Thailand-Urlaub,
angeblich mit Mädchen, bis er HIV positiv getestet wurde und
sich outete. Die Stammtischrunde hat ihn nicht ausgeschlossen, aber
sie denkt sich ihren Teil, bei den meisten stößt er auf
Unverständnis. Einer seiner Bekannten, ein Gemeinderat, bedauert
Hartmuts „Krankheit“ und meint damit nicht nur das Virus.
Dabei wirkt er keineswegs unsympathisch: ein gemütlicher Familienvater,
nur eben überzeugt davon, dass Homosexualität nicht Gott
gewollt sei; auch wenn ihm die Worte „homosexuell“ oder
gar „schwul“ nicht über die Lippen wollen. Die
Beiläufigkeit, mit der er seine diskriminierenden Thesen vertritt,
ist frappierend. Intoleranz als Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig
trägt die bigotte Unbeholfenheit, mit der er das Wort meidet,
durchaus amüsante Züge.
Über weite Strecken behält der Film diesen ambivalenten
Ton zwischen Beklemmung und absurder Komik bei. Das dargestellte
soziale Klima ist nicht gereizt, nicht hasserfüllt, sondern
ignorant, sturköpfig verleugnend. Duldsam bis ins Unverständliche
erscheinen bisweilen auch die porträtierten Schwulen selbst.
Der junge Forstwirt Stefan, der noch bei seiner Mutter lebt, berichtet
mit stoischer Gelassenheit von den nationalsozialistisch eingefärbten
Anfeindungen, die ihm sein um sieben Jahre verzögertes Outing
im Kollegenkreis eingebracht habe. Bei den „Heteros“
ist von solch aggressivem Rechtsradikalismus kaum etwas zu spüren.
Am liebsten würden sie das Schwulsein überhaupt nicht
zur Kenntnis nehmen. Lange geschwiegen hat auch der 1924 geborene
Richard, dessen Jugend in die Zeit des Nationalsozialismus fiel
und für den der legendäre Züricher „Kreis“
die einzige Gelegenheit bot, Gleichgesinnte zu treffen. Geoutet
hat er sich außerhalb des Films nie, und um das Wort „schwul“
macht er einen fast so großen Bogen wie der Gemeinderat. Eine
Parallele, die nachdenklich stimmt, nicht nur, weil sie zeigt, wie
sehr manch einer aus der älteren Schwulen- Generation die Tabuisierung
verinnerlicht hat, sondern auch, weil sie charakteristisch ist für
die Auswahl der heterosexuellen Gesprächspartner: Menschen
jenseits der 50, aktive Kirchenmitglieder, nur halbherzig ergänzt
durch einen Lehrer und einen Arzt.
Gleich zu Beginn formuliert Hick seine These: In der Stadt haben
sich die Schwulen etabliert, aber auf dem Land herrschen noch finstere
Zeiten. Bei der Auswahl der Interviewpartner scheint er wenig geneigt,
dieses Vorurteil auf die Probe zu stellen. Die meisten Schwulen,
so konstatiert er, ziehen irgendwann in die Stadt. Was aber ist
mit denen, die zurückbleiben? Hicks Reportage zeichnet sie
als Gefangene, als im doppelten Sinne Zurückgebliebene. Auch
der 37-jährige Uwe wohnt noch bei seiner Mutter. Er hat ein
Faible für Militärklamotten und reist hin und wieder nach
Berlin, um sich dort auszuleben. Programmatisch kontrastiert Hick
großstädtische Offenheit mit ländlicher Verstocktheit,
begleitet Uwe auf seiner Berlin- Reise ebenso wie Hartmut beim Thailand-Urlaub.
Aber alles, was nicht in seine Ausgangsthese passt, lässt er
unberührt. Die Nonchalance, mit der er über Hartmuts Sextourismus
berichtet, wird fahrlässig dadurch, dass er an anderen Stellen
geradezu penetrant nachhakt. Zum Beispiel mag er nicht gelten lassen,
dass jemand keinen Schwulen kennen will, und versteigt sich zur
Frage, woher man denn überhaupt wisse, dass es Schwule gäbe.
Dass der etwas ruppige Schnitt des Films wenig mehr präsentiert
als eine simple Gesprächscollage und die sachlich-journalistische
Bildsprache kaum Kinoformat hat, ist angesichts der thematischen
Bedeutsamkeit der Dokumentation zu vernachlässigen; störender
ist, dass es Hick zu selten gelingt, den Blick des Städters
abzulegen und das (schwule) Leben auf dem Lande in seinem ganzen
Spektrum darzustellen. Umgekehrt hätte er jenseits urbaner
Szene-Ghettos und anonymer Spielräume auch an großstädtischen
Stammtischen die Grenzen heterosexueller Toleranz veranschaulichen
können. Seine Eingangsthese ist somit nur bedingt haltbar.
Dennoch zeigt Hick eindrucksvoll, wie alltäglich die Diskriminierung
Homosexueller in Deutschland nach wie vor ist und wie tief Vorurteile
noch verankert sind.
Gesamter Artikel unter: http://film-dienst.kim-info.de/kritiken.php?nr=7002
FLUTER
Martin Maaß, 11.3.2004 |
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In deutschen Großstädten sind Homosexuelle weitgehend
akzeptiert. Offen schwule Bürgermeister? Kein Problem! Der
Christopher Street Day ist ja auch längst ein etablierter kultureller
Event. Aber wie sieht es da aus, wo die Deutschen am konservativsten
sind - auf dem Land? Regisseur Jochen Hick hat sich in Schwaben
aufgemacht, Schwule zu befragen, die trotz aller Probleme den Absprung
in die Stadt nie gesucht haben.
Was dabei herauskommt, ist ein offenherziges, anrührendes,
oft amüsantes und manchmal beklemmendes Porträt. Vier
Männer begleitet Hick, mit ihren individuellen Geschichten
und Vorlieben, ihren Lebensumständen und Überlebensstrategien.
Alle bekennen sich mehr oder weniger offen zu ihrer Homosexualität,
obwohl diese in ihrem Umfeld bis dahin meist Tabuthema war. "Ich
kenn sonst keinen Schwulen", sagen viele Nachbarn und Kollegen.
Da ist Richard, fast 80 Jahre alt, der die Nazizeit überlebt
hat und der jungen Bundesrepublik von Zeit zu Zeit in die tolerantere
Schweiz entfloh. Und Hartmut, Ende 50, der sich seinen Stammtischbrüdern
offenbarte, als er von seiner HIV-Infektion erfuhr. Uwe, Ende 30,
macht Ausflüge nach Berlin, lebt aber sonst wie Stefan, 26,
bei seiner Mutter. Stefan, der Waldarbeiter, hat sich seinen Kollegen
in einer Arbeitspause geoutet. Dazu Erika, Mutter zweier schwuler
Söhne, die im Rahmen ihres katholischen Glaubens versucht,
ihre eigene mühsam erlernte Toleranz gegenüber dem Anderssein
ihrer Kinder in Diskussionsrunden weiterzugeben. Keiner von ihnen
ist ein Held oder ein Engel. Alle sind ganz normale Menschen, die
aber immer wieder großen Mut aufbringen: vor allem den, sich
selber ins Gesicht zu sehen. Ein sehenswertes Plädoyer für
Toleranz und Menschlichkeit - Werte, die in Staat, Gesellschaft
und Kirche oft immer noch zu kurz kommen.
Martin Maaß
Ganzer Artikel: http://www.fluter.de/look/article.tpl?IdLanguage=5&IdPublication=4&NrIssue=1&NrSection=40&NrArticle=2299
Website: http://www.fluter.de
> Kino
MORGENPOST HAMBURG
Jasmin Herzog |
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(tsch) "Coming out" und dann nichts wie weg in die Großstadt?
Das gilt nicht für die vier Protagonisten von Jochen Hicks
Dokumentation "Ich kenn keinen – Allein unter Heteros"
. Sie leben meist gerne in der Provinz, bei ihren Verwandten und
Freunden. Wie es ihnen in einer Welt ergeht, in der das Schimpfwort
"Schwule Sau" offen kursiert und die Mutter sich ausdrücklich
ein anständiges Mädel für den Sohn wünscht,
das zeigt Jochen Hick in seiner launigen Soziologie.
Hicks Film führt nach Schwaben und in den Schwarzwald. Hier
begleitet er seine Protagonisten in ihrem Alltag zwischen Kirche
und Kneipe und auf ihren erotischen Fluchtreisen in die große
Welt. Wir lernen den 57-jährigen Hartmut kennen, Mitglied im
Wanderverein und Kirchenchor, ein Stammtischgeher. Über seine
Aidserkrankung wissen ebenso alle wie um seine Leidenschaft für
Reisen nach Thailand. Keine Skrupel, einen Einblick in sein Leben
zu gewähren, hat auch Uwe. Er lebt mit seiner Mutter im Schwarzwald
und ergründet bei Ausflügen ins ferne Berlin seine Vorliebe
für Militäranzüge. Der junge Forstwirt Stefan benötigt
die Hauptstadt nicht. Wenn ihn die Sticheleien seiner Kollegen nerven,
tobt er sich in München oder Zürich aus. Die Schweizer
Großstadt hat auch für Richard, 79 Jahre alt, eine besondere
Bedeutung. Während der Nachkriegsjahre reiste er oft an diesen
liberalen Ort.
Bei Jochen Hick kommen aber nicht nur die Schwulen zu Wort. Er dokumentiert
auch den bitterkomischen heterosexuellen Blick auf die homosexuelle
Welt. Zum Schenkelklopfer werden Statements voller Moralismen, Besserwisserei
und naivem Unverständnis. Das ist besonders bitter, wenn wie
in dieser Doku deutlich wird, wie viel die Protagonisten mit ihrer
kleinbürgerlichen Umwelt eigentlich gemeinsam haben –
außer der sexuellen Orientierung eben.
SCHWÄBISCHE ZEITUNG
Barbara Miller, 12.3.2004 |
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Ein bisschen anders zu sein, ist schon okay; aber bitte nicht zu
sehr und nicht zu auffällig. Denn dann fällt die ganze
schöne Toleranz-Fassade in sich zusammen wie ein Kartenhaus
und zum Vorschein kommen die alten, die wirklich ganz alten Vorurteile
über Homosexuelle - ein genetischer Defekt, eine Krankheit,
eine Perversion auf jeden Fall - und deshalb wirklich 'widerlich'.
Obwohl angeblich zehn Porzent der erwachsenen Bevölkerung homosexuell
sein sollen, die meisten Leute, die Jochen Hick in seiner Dokumentation
vor die Kamera holt, behaupten stereotyp, noch nie einem Schwulen
begegnet zu sein - und sitzen gerade neben einem. Im Wirtshaus auf
der Alb bei Onstmettingen zum Besipiel. 'Irgendwie' tun sie sich
schon schwer mit dem Hartmut, dem Prokuristen, der erst, nachdem
er wusste, dass er HIV-positiv war, den Mut hatte, sich zu seiner
Homosexualität zu bekennen. Da war er über 50. Heute ärgere
er sich, sagt der amgemagerte Mann, so lange bei seinem Outing gewartet
zu haben.
So schlimm, möchte man denken, kann die Intoleranz also nicht
gewesen sein. Hartmut sitzt immer noch am Stammtisch, singt immer
noch im Kirchenchor, und wenn er nicht so krank wäre, würde
er mit den Kameraden vom Albverein noch in die Berge gehen. Bloß
die Unterschiede zwischen Distanz und Intoleranz sind fliessend.
Der Dokumentarfilmer Jochen Hick, der für 'Ich kenn keinen
- Allein unter Heteros' im vergangenen Jahr auf der Berlinale mit
dem Teddy ausgezeichnet wurde, ist nach seinen Feldstudien über
schwules Leben in den Großstädten nun aufs Land gegangen:
Wie leben Homosexuelle auf der Schwäbischen Alb? Im Schwarzwald?
In Oberschwaben? Haben sie's schwere als ein Szeneschwuler in Berlin?
Müssen sie sich verstecken?
Zum Beispiel Stefan aus Michelwinnaden oder Uwe aus dem Schwarzwald.
'Hier wohn ich nur. Leben tu ich woanders.' Diesen Satz bekommt
Hick oft zu hören. Er könnte ihn freilich von anderen
jungen Leuten, auch Heteros gehört haben - wenn er gefragt
hätte.
So aufschlussreich und dabei auch unteraltsam dabei auch der Film
ist, Hick verläasst kaum das unmittelbare Umfeld der Portagonisten.
Die Mütter von Stefan und Uwe, die Stammtischbrüder von
Hartmut, der Kirchenkreis der engagierten Stuttgarterin Erika Micale
vom Ortspfarrer bis zum Weihbischof - es sind fast ausschliesslich
ältere Herrschaften, die da zu Wort kommen. Mag es in der Akzeptanz
von Schwulen einen Unterschied zwischen Stadt und Land geben, zwischen
Jung und Alt gibt es ihn auch. In Berlin wie in Michewinnaden.
Zeitung unter: http://www.szon.de
Siehe auch Terminhinweis unter: http://www.szon.de/lokales/ravensburg/region/200403120414.html
SCHWÄBISCHE ZEITUNG
Petra Fleischlen - 16. März 2004 |
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Hauptdarsteller Stefan Braun: "Ich habe mich in dem
Film total widergespiegelt"
Der Film "Ich kenne keinen - Allein unter Heteros" ist
jetzt in Baden-Württemberg angelaufen. Am Freitagabend bot
sich im "Urania" die Gelegenheit, nach dem Film mit Jochen
Hick, dem Regisseur, und einem der Hauptdarsteller, Stefan Braun
aus Michelwinnaden, zu diskutieren. In seinem Dokumentarfilm begleitet
Hick Homosexuelle aus Oberschwaben. Sie berichten aus ihrem Alltag
und erzählen, wie sie ihr "Coming-out" erlebt haben.
Aber auch das direkte Umfeld der Darsteller kommt zu Wort. Am Stammtisch
ist man nicht um "Political Correctness" bemüht.
Stefans Mutter gibt im Film offen zu, dass sie von seiner Homosexualität
absolut nichts wusste: "Er ist doch immer so ein fröhliches
Kind gewesen...".
Auch diese Sichtweisen mit einzubringen, war das Ziel des Regisseurs
Jochen Hick. "Ich habe Leute gesucht, die nicht so politisch
korrekt sind und die auch ein bisschen originell sind." Der
Satz "Ich kenne keinen" (Schwulen) fällt im Film
unzählige Male. Er zeige, so Hick, wie sich das "schwule
Leben" in der Provinz immer noch sehr von dem "schwulen
Leben" in den Städten unterscheide. "Die Leute finden
Homo-Ehen und Wowereit (Berlins Regierenden Bürgermeister)
zwar normal, andererseits kennen sie aber keinen Schwulen",
hat Hick herausgefunden. "Der Film soll auch dazu dienen, Barrieren
und Hemmschwellen zwischen Heteros und Schwulen abzubauen. Wir sind
noch weit entfernt von einer Normalität des Miteinanders",
sagt er.
"Der Spaß hat mich dazu bewogen, bei dem Film mitzumachen",
meint Stefan Braun. Er hatte den Regisseur bei der Vorbereitung
zum Christopher Street Day (CSD) kennen gelernt. Auf der Berlinale
hat er den Film, der dort mit dem "Teddy- Award" als bester
Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, zum ersten Mal in voller Länge
gesehen. "Ich habe mich in dem Film total widergespiegelt.
Alle meine Charakterzüge sind voll da!", sagt Braun. Die
Reaktionen in seinem Umfeld seien positiv: "Meine Freunde stehen
voll hinter mir!" Adrian Kutter, Inhaber der Filmtheaterbetriebe
in Biberach, findet den Film "sehr, sehr gut". Ihm hat
"die Mischung aus Ernst, Authentizität und Humor"
imponiert.
Verschiedene Internet-Portale
März 2004 |
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http://www.rp-online.de/rp-online/film.html?mid=2002_ich_kenn_keinen_allein_unter_heteros
CINEZONE.DE
http://cinezone.com/zone/2/html/index_link.html#/zone/2/2004/1103/ich_kenn_keinen_inhalt.html
NDR.DE
http://www.ndr.de/ndr/unterhaltung/film/neuimkino/20040311_ichkennkeinen.html
HAMBURG.DE
http://www.hamburg.de/news/1,2980,JG9rPTE1ODk4JHVrPTE2NjI3JGdlbz0zJGl0ZW09MzkwNzk3NCQ_,00.html
ZDF.DE
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,2107632,00.html
SAT1.DE
http://www.sat1.de/kino/starts/feed/5/5/3/7/0/
STUTTGARTER ZEITUNG
Thomas Klingenmaier - 18.3.2004 |
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Vielleicht war das mal ein Lachprojekt, ein Film, der in Berliner
Szenekinos für tränenkullernde Hysterieanfälle sorgen
sollte. Jochen Hicks "Ich kenn keinen - Allein unter Heteros"
geht von einem Gefälle der Freizügigkeit in der Republik
aus. Ein Filmteam aus der Hauptstadt schaut nach, wie es sich als
Schwuler in der schwäbischen Diaspora lebt, wie man klarkommt,
wenn man zum Beispiel in einem Dörflein von achthundert Seelen
der einzige Homosexuelle ist. Oder zumindest der einzige, der sich
zu seiner sexuellen Orientierung bekennt. Es gibt hier ein paar
suspekte Momente. Da werden kleinbürgerliche Gemütlichkeit
und asphaltierte Trostlosigkeit zu ein paar Sekunden Gaffen auf
eine skurrile, ferne Provinz montiert. Aber diese Reste eines hochmütigen
Films bestimmen nicht das Wesen von "Ich kenn keinen".
Denn Hick findet Menschen und Verhältnisse, denen er die Seltsamkeit
nicht erst aufschminken muss. Leute, die so daherreden, wie man
gehofft hat, dass sie vor spätestens zwanzig Jahren zu Reden
und zu Denken aufgehört haben. Ekel vor dem Schwulsein wird
da deutlich, verschwitzte Neugier, borniertes Beharren auf einer
gottgewollten Normalität.
Immer wieder muss man in diesem Film, der auch Bilder aus Stuttgart
zeigt, vor Verzweiflung laut lachen. Wenn etwa die gläubige
Mutter zweier schwuler Söhne, die sich nun bei Vorträgen
in katholischen Gemeinden um mehr Öffnung, Verständnis
und Toleranz bemüht, von den Telefonaten erzählt, in denen
sie um Rat gebeten wird. Sie hätten einen schwulen Hund gehabt,
hat ihr eine Anruferin erzählt, den hätten sie deshalb
totgeschlagen. Nun sei auch der Sohn schwul, aber den könne
man doch nicht auch erschlagen. Was man denn tun könne? Eine
andere, sehr freundlich wirkende Landfrau berichtet der Kamera,
was sie gedacht hat, als ihr Sohn sein Schwulsein gestand: "I
kauf a Pischdol und erschieß alle."
Man könnte Hick ("Menmaniacs") vorwerfen, dass er
mit der Kamera sehr nahe an die Menschen herangeht, dass er sie
verfratzt: die Christen etwa, die mit Transparenten Schwule beim
Christopher Street Day zur Umkehr aufrufen. Aber er rückt auch
sehr nahe an seine Sympathieträger heran, an die Schwulen,
die von ihren Schwierigkeiten, ihren Ängsten, ihrer Feigheit
erzählen. Ihre Mimik wirkt nicht grotesk. Die Kamera, merken
wir da, zeigt manchmal wirklich nur das, was wir selbst aus uns
machen.
Zeitung unter: http://www.stuttgarter-zeitung.de Gesamter
Artikel unter: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/698855
STUTTGARTER NACHRICHTEN
Eva Maria Schlosser, 19.3.2004 |
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Auf dem Land gehen die Uhren langsamer. Nehmen wir den Fall Klaus
Wowereit. Er ist regierender Bürgermeister von Berlin. Er ist
schwul. Und er gibt es offen und freimütig zu. Woran sich anfangs
noch die Gemüter erhitzten, danach kräht in Berlin schon
lange kein Hahn mehr.
Und auch in anderen Großstädten, so ist der Optimist
gewillt zu glauben, mag sich keiner mehr daran aufhalten, über
die sexuellen Neigungen von Politikern und anderen Nachbarn zu sinnieren
- es sei denn zu Wahlkampfzwecken. Aber es gibt eben auch noch Flecken
auf der Landkarte - und im Gehirn -, wo dem nicht so ist. Wo man
sich darüber noch so seine Gedanken macht. Auf dem Lande beispielsweise.
Filmemacher Jochen Hick, der eine Zeit lang in Stuttgart lebte,
hat sich ebendort genauer umgeschaut, auf dem Lande. Fünf Leben,
fünf Schicksale hat er aufgespürt.
Zum Beispiel Uwe. Uwe ist Ende 30, liebt Armeeklamotten und lebt
bei seiner Mutter in einem idyllisch gelegenen Dorf im Schwarzwald.
Die nächste Schwulenbar liegt in Villingen-Schwennigen, zu
der er sich des Öfteren an den Wochenenden geduldig aufmacht,
um Leute kennen zu lernen, sich zu amüsieren und vielleicht
auch mal den Mann zu treffen, der mit ihm durch dick und dünn
gehen würde. Manchmal fährt er nach Berlin und erkundet
hier neugierig und selbstbewusst das homosexuelle Großstadtleben.
Weniger neugierig und selbstbewusst geben sich die Dorfbewohner
in Onstmettingen, die mit Hartmut zusammen in der Gemeinde und am
Stammtisch sitzen. Hartmut ist schwul, HIV-positiv und hat sich
unlängst geoutet. Der Schock ist seinen Mitmenschen anzusehen
und anzuhören. Zwar akzeptieren sie ihren Hartmut, aber das
mit der schwulen Liebe will ihnen nicht ganz einleuchten. Der muss
doch zu bekehren sein . . .
Neben Uwe und Hartmut erzählen Erica Micale, die Mutter von
zwei schwulen Söhnen ist und eine Selbsthilfegruppe für
Eltern von homosexuellen Kindern leitet, der 80-jährige Richard
und der Forstwirt Stefan. Hick hat die fünf im Alltag und auf
ihren Ausflügen begleitet und befragt, zum Leben auf dem Land,
zum Outen und zum Schwulsein. Und er hat mit den Eltern gesprochen,
den Freunden, Bekannten und Nachbarn. Das Ergebnis ist ein unspektakulär
gemachter Dokumentarfilm, der von seinen starken Figuren und mitunter
ungeheuer sympathischen, liebenswerten und immer authentischen Szenen
lebt.
geht behutsam mit seinen Protagonisten um. Vorgeführt wird
keiner. Genauso wenig bricht Hick eine Lanze für Homosexuelle
und das Leben auf dem Lande. Er beobachtet und sucht (Vor-)Urteilen
auf den Grund zu gehen. Er fragt, und nicht immer erhält er
eine Antwort. Die Lücken darf der Zuschauer füllen, mit
Sympathie und Mitgefühl, mit Unverständnis und manchmal
mit leisem Grauen. Auf der Berlinale hat "Ich kenn" keinen
- allein unter Heteros" den Teddy Award für den besten
Dokumentarfilm erhalten. (In Stuttgart im Delphi)
Gesamter Artikel unter: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/699626
Zeitung unter: http://www.stuttgarter-nachrichten.de
EUROGAY
März 2004 |
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Kennen Sie einen Schwulen? Diese Frage stellte der Filmemacher
Jochen Hick bei seiner Dokumentarfilmreise durch das Schwabenländle.
Glaubt man den Antworten der Befragten, so ist die Krankheit ‚SCHWUL’
dort nicht sehr verbreitet.
Personen begleitete der Filmemacher einige Zeit in Ihrem sozialen
Umfeld um der Frage nachzugehen, wie Homosexualität im ländlichen
Raum aufgenommen und verarbeitet wird. Erschreckt stellt der Regisseur
fest, dass gegenwärtig immer noch finsteres Mittelalter herrscht.
So wird von nationalsozialistisch gefärbten Anfeindungen sowie
stumpfer Ignoranz gegenüber Schwulen berichtet. Im weiteren
Verlauf des Films begleitet Hick den 37 jährigen Uwe, der durch
Sextourismus nach Thailand sowie Wochenendausflüge in die Berliner
Uniformszene versucht seinem Gefängnis zu entfliehen.
Ein eindrucksvolles Filmdokument über Diskriminierung und Vorurteile
im Deutschland des Jahres 2003.
GAYWEB.DE
März 2004 |
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Kino-Tipp: Ich kenn keinen - Allein unter Heteros
Deutschland, 2002Jochen Hick zeigt das etwas andere Leben in der
Provinz. Exemplarisch werden vier männliche Protagonisten und
die Mutter zweier Schwuler Söhne portraitiert: Stefan Braun
(26) aus Michelwinnaden bei Bad Waldsee ist Forstwirt. Er erzählt
von seinem Outing bei den Kollegen, zeigt, wie ihm die oberschwäbische
Landschaft ans Herz gewachsen ist und welche Rolle seine Mutter
in seinem schwulen Leben spielt.Hartmut Alber (57) ist HIV-positiv
und berichtet von seinem späten Coming Out in Onstmettingen
auf der Schwäbischen Alb und den Reaktionen der Älbler.
Der Film begleitet ihn auf einem seiner Urlaube in Thailand. Wie
sich Richard in Zürich erinnert, Erika mit anderen Eltern gegen
Vorurteile kämpft und wie Uwe die Hauptstadt erkundet, erfährt
man im Kino.Regisseur Jochen Hick zeichnet ein Portrait unserer
Zeit. Unvorbelastet führt der Film durch einen Ausschnitt des
schwulen Lebens in Schwaben. Im einen Moment lacht man aus vollem
Herzen, im nächsten fühlt man Mitleid mit dem Schicksal
des Protagonisten, erschrickt über die Einstellung des heterosexuellen
Umfelds oder staunt über die Unbekümmertheit der Darsteller.Auf
Nachfrage von gay-web sagt Jochen Hick, dass die Auswahl der Mitwirkenden
nicht repräsentativ sei und auch nicht sein solle, sondern
lediglich einen beleuchtenswerten Ausschnitt zeigen sollte. Gelungen
ist ihm dies allemal. Der Streifen ist nicht nur kurzweilig, sondern
liefert ein weiteres Puzzle-Stück zum schwulen Deutschland.Gesamturteil:
sehenswert! Interview mit Stefan Braun auf ravensburg.gay-web.de
WELT AM SONNTAG
Adriano Sack, 11.1.2004 |
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(...) Manchmal liegt die Exotik auch direkt vor der eigenen Haustür:
In dem kürzlich gestarteten Dokumentarfilm "Ich kenn keinen"
hat der Regisseur Jochen Hick Homosexuelle in der schwäbischen
Provinz besucht. Sie sind nicht in die liberalen Großstädte
gezogen, sondern leben als Forstwirte, Frührentner oder Verwaltungsangestellte
in ihren Heimatorten, die ihnen mit Abneigung oder zumindest herzhafter
Ignoranz begegnen. Der Film, bei der Berlinale ausgezeichnet, zeigt
das Ringen seiner Protagonisten um Identität und ist zugleich
ein wunderbares Beispiel für Reality-Comedy ohne jede Denunziation.
(...)
Gesamter Artikel: http://www.wams.de/data/2004/01/11/221712.html
SCHWÄBISCHES TAGBLATT
2.7.2004 - Klaus-Peter Eichele |
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In Großstädten werden sie als Trendsetter und kaufkräftige
Kundschaft sehr geschätzt. Auf dem platten Lande dagegen sind
Homosexuelle nach wie vor nicht sehr gerne gesehen. Der Regisseur
Jochen Hick ist vom schwul regierten Berlin zu einer Bestandsaufnhame
in die schwäbische Provinz aufgebrochen. Er porträtiert
sechs Männer, die insofern etwas untypisch sind, als sie sich
auf die Gefahr des sozialen Todes hin irgendwann ihrem Umfeld geoutet
haben.
Da ist Hartmut aus Albstadt, der sich mit 51 nach seiner HIV-Infektion
seinem Stammtisch als schwul offenbart hat. Oder Fortswirt Stefan
aus Oberschwaben, dessen Arbeitskollegen beim Vesper schon mal übers
Vergasen witzeln. Oder der Rentner Richard, der den Nationalsozialismus
unverseht überstanden hat und heute nach einer langen Emanzipationsreise
mit seinem Partner in spiessbürgerlicher Harmonie zusammenlebt.
Trotz allen Leids, das durch die Lebensgeschichten schimmert, ist
"ICH KENN KEINEN - Allein unter Heteros" weder ein depressiver
Problemfilm noch zorniges Hinterwäldler-Bashing; eher ein Denkmal
für jene, die mit dem Mut der Verzweiflung und viel (Galgen-)Humor
ihre sexuelle Orientierung auf feindlichem Terrain behaupten.
Und vor allem sind Hicks Protagonisten, jeder auf seine Art, witzige
Gesellen, die den Film zu einer durchweg vergnüglichen Sache
machen. Auf die Geiferer udn Gutmenschen der Gegenseite tragen ihren
Teil zum komödiantischen Grundton bei. Amüsieren darf
man sich schon deswegen, weil Hicks Film nebenbei auch dies deutlich
macht: Offene Schwulenhatz ist selbst in der teifsten Provinz nicht
mehr angesagt. Selbst am Stammtisch im ALbflecken wird heute schon
mal kontrovers über Homosexualität debattiert.
COOLIBRI
Juli 2004 - Dirk Krogull |
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Sexlife im Schwabenland "Diese ganze Arschfickerei finde ich
abstoßend. Es kann ja sein, daß man aus Versehen auch
mal bei seiner Frau ins falsche Loch trifft, aber sowas kann ja
kein Dauerzustand sein!" Wem solche Stammtischsprüche
fehlen, weil er vielleichr vom Lande in Großstädte wie
Berlin oder Köln gezogen ist, der kann mit der Dokumentation
"ICH KENN KEINEN - Allein unter Heteros" noch mal kurz
sein Gedächtnis auffrischen, wie das Leben als Schwuler in
Schwarzwald oder Schwabenland eben so ausschaut. Regisseur Jochen
Hick, der sich zuvor in fröhlichen Filmen wie "Sex/Life
in L.A." eher dem hedonistischen Ausleben sexueller Präferenzen
und Phantasien widmete, hat sich nun mit seiner Kamera in die Porvinz
begeben und dort Schwule wie den Forstwirt Stefan getroffen, der
Großstädte wie Berlin ja gar nicht braucht, weil er findet,
er lebe schon richtig zentral: Stuttgart und München seien nur 150,
Türich nur 120 km entfernt.
Doch wie meint Stefans Mutter so schön: "Bei meinem Sohn hätte
ich nie vermutet, dass er schwul ist, weil er doch immer so ein
fröhlicher Typ war."
SAARBRÜCKER ZEITUNG
24.6.2004 - Thomas Reinhardt |
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Wüst und so sündig!
Schwulsein und dazu stehen - das ist heute kaum noch ein Problem.
Sollte man meinen. Doch das gilt wohl nur in den Großstädten.
Auf dem Land, in der Provinz sieht's da schon anders aus. Das zeigt
Jochen Hick in seinem neuen Dokumentarfilm. Er ist ins ländliche
Schwaben gereits und hat sich zwischen Stammtisch und Kirche umgehört.
Hier lebt der Homosexuelle allein unter Heteros, und es gibt einige
Menschen, die behaupten, noch nie im Leben einen Schwulen getroffen
zu haben. Doch Hick hat sie gefunden und begleitet sie, Männer
unterschiedlichen Alters, lässt sich zeigen, wo sie wohnen
und arbeiten, ist dabei auf ihren erotischen Fluchten zwischen Dorf
un der grossen Welt, sie es in Zürich, Berlin oder Thailand.
Einer von ihnen ist Hartmut, heute 57 Jahre. Der hat erst mit 51
Jahren den Mut gefunden, sich zu outen. "Vorher habe ich am
Stammtisch selbst Schwulenwitze erzählt und über Schwule
gelästert." Im Urlaub ist er nach Thailand gefahren, "da
konnte ich mich als Schwuler mal so richtig ausleben" - und
zu Hause hat er geprotzt, wiviel Thaimädchen er flach gelegt
hätte. Regisseur Jochen Hick geht dabei sehr einfühlsam
vor, fragt behutsam, aber auch messerscharf nach, deckt viele Vorurteile
und Intoleranz auf. Welches Bild sie früher von Schulen gehabt
habe, fragt er eine Frau, die heute in einer Selbsthilfegruppe homosexueller
Eltern mitarbeitet: "Die sind schlutzig, wüst und sündig."
HANNOVER LIVE
Juli 2004 |
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Homoehe und alles easy. Wo gibt's da noch Probleme? Schwules Leben
auf dem Lande. Dokumentarfilm über vier schwule Männer,
die abseits der grossen Städte im ländlichen Schwaben
versuchen, ein erfülltes Leben zu leben. Der junge Forstwirt
Stefan, der Schwarzwälder Uwe, der Älbler Hartmut und
Richard. Ein Leben, allein unter Heterosexuellen!
Der Filmemacher Jochen Hick trifft in seiner schwäbischen Heimat
auf ein merkwürdiges Phänomen: Jeder Homosexuelle hält
sich für den einzigen im Dorf. "Ich kenn keinen - Allein
unter Heteros" ergründet auch Stolz und Vorurteil der
Heterosexuellen, am Stammtisch oder im Krichenchor.
Für Hartmut ist seit seinem Outing "alles komplizierter"
geworden. Früher hat er bei den Schwulenwitzen einfach mitgelacht.
Jetzt muss er sich fragen lassen, ob er "darüber"
mal mit seinem Hausarzt gesprochen.
Ferner treffen wir auf den 78-jährigen Richard, für den
ein Bekenntnis unter den Nazis den rosa Winkel bedeutet hätte
und der es noch heute lieber hat, wenn sich seine Neffen ihren Teil
selber denken. Breit gefächert ist das Spektrum der Ignoranz
und des individuellen Leids in diesem Film, den ein zartbitterer
Humor prägt. Doch manchmal fragt er auch einfach nur deprimierend:
Toleranz für wen?
SIEGESSÄULE
Juni 2005 - Ingrid Scheffer |
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Dokumentarfilm – Schwule in süddeutschen Dörfern
porträtiert dieser Film. „Kennen Sie einen Schwulen?“,
fragte Filmemacher Jochen Hick im ländlichen Schwaben. Allem
Leugnen der Heteros zum Trotz fand er auch in der Provinz schwule
Männer. Vier von ihnen begleitete er in ihrem von Vorurteilen
bestimmten Alltag und bei ihren Fluchten in die Großstadt:
Stefan, 26, lebt bei seiner Mutter. Gelassen berichtet der Forstwirt
von den nationalsozialistisch gefärbten Anfeindungen der Kollegen
bei seinem Coming-out. Auch der 38-jährige Uwe lebt noch bei
der Mutter. In Berlin kauft er seine Militärklamotten. Richard,
1924 geboren, war im Nationalsozialismus von Inhaftierung und Tod
bedroht. In diesem Film ist er erstmals offen schwul. Der 57-jährige
Hartmut lebt in die Dorfgemeinschaft integriert, inklusive Kirchenchor
und Stammtisch. Erst mit 51, als er HIV-positiv getestet wurde,
bekannte er sich zu seinem Schwulsein. Eltern, Bekannte und Stammtisch
kommen zu Wort. Sehr kurzweiliger Dokumentarfilm. Hick, Autor von
Dokumentar- und Spielfilmen, dreht seit 1984 schwule Filme, unter
anderem „Sex/Life in L.A.“. Er schafft Nähe zu
seinen Protagonisten und profitiert davon, dass er selbst lange
in Schwaben gelebt hat. Amüsiert, hintergründig und neugierig
spürt er im Umfeld der Porträtierten dem ländlich-heterosexuellen
Urteil über schwule Lebensweisen nach. Er dokumentiert den
häufig unwissenden, mitunter bitter-komischen Blick auf Homosexuelle
in der deutschen Provinz. 2003 mit dem TEDDY als bester Dokumentarfilm
der Berlinale ausgezeichnet. (D 2003, R.: Jochen Hick)
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